von RA (auch Fachanwalt für Steuerrecht) Eberhard Reinecke, 24.4.2013
Das klingt etwas nach: „Die Kriminalpolizei rät: Lassen Sie die Haustür offen, damit Sie nicht bestohlen werden.“ Was heute nur noch komisch klingt, durfte vor knapp 10 Jahren noch von einem führenden Vertreter der Schutzpatronin der Steuerhinterzieher (FDP) im Bundestag verbreitet werden. Am 17.10.2003 wurde u.a. das damalige Steueramnestiegesetz von Rot-Grün diskutiert, mit dem eine goldene Brücke für die Rückkehr von Kriminellen in die Steuerehrlichkeit gebaut wurde. Dr. Solms von der FDP verlor kein Wort über die Kriminalität von Steuerhinterziehern, sondern zeigte viel Verständnis für diese.
Zwar sei eigentlich auch die FDP für eine Amnestie:„Aber es funktioniert nur, wenn Sie umfassendes Vertrauen in den Kapitalmarkt Deutschland herstellen. D. h. selbstverständlich, dass Sie eine solche Regelung mit der Einführung einer dauerhaften Abgeltungssteuer bei der Zinsbesteuerung verbinden müssen, dass Sie ein Verbot der Vermögenssteuer in die Verfassung aufnehmen müssen, dass die Diskussion über die Erhöhung der Erbschaftssteuer auf dem bevorstehenden Parteitag der SPD beendet werden muss, dass Sie die unsinnigen Kontrollmitteilungen fallen lassen müssen und dass das Bankgeheimnis gestärkt werden muss.“
Das Protokoll vermerkt dann Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU.
Mit einem Wort: Die Steuerhinterziehung in der Schweiz ist nicht mehr erforderlich, wenn schon ganz legal in Deutschland keine Steuern mehr gezahlt werden müssen. Hieran sollte man sich erinnern, wenn nunmehr – etwa 10 Jahre später – selbst die FDP die Steuerehrlichkeit fordert, allerdings weiter die Anonymität des glücklicherweise gescheiterten Steuerabkommens mit der Schweiz verteidigt. Dass hohe Strafen (allein) nicht abschreckend wirken, gilt auch im Steuerrecht, entscheidend für die Abschreckungswirkung ist neben der hohen Strafe die Einschätzung des Entdeckungsrisikos. Im Jahre 2003 war die FDP offenbar der Meinung, dass zu Recht das – auch das unversteuerte – Kapital (in Finanzkreisen auch „scheues Reh“ genannt) im Ausland bleiben sollte und dass die Kapitalgeber das Recht hätten, die Bundesrepublik zu erpressen in Richtung auf niedrigere Steuersätze, Wegfall der Vermögenssteuer, etc.
Mit 5 Milliarden zusätzlichen Steuereinnahmen hatte Finanzminister Eichel gerechnet, als er den Steuerkriminellen das Angebot unterbreitete, im Jahre 2004 reinen Tisch zu machen. Es war ein Angebot, das jeder normaldenkende Mensch eigentlich nicht ausschlagen konnte. Auf sämtliche bisher nicht deklarierten Einkünfte sollte ein Pauschalsteuersatz von 25 % (für die Vergangenheit) gezahlt werden. Da allerdings die Einnahmen zunächst pauschal um 40% gekürzt werden konnten, lief das auf einen realen Steuersatz von 15% hinaus. Und das für Zeiten, in denen ein Spitzensteuersatz von 53 % bis 48,5 % galt. Nach diesem Amnestieangebot hätten die Kriminellen weniger als die Hälfte der Steuern zu zahlen, die zuvor ehrliche Steuerzahler entrichtet hatten. Es sollten nicht einmal Verzugszinsen gezahlt werden. Obwohl sogar das Zentralorgan des Finanzkaptals, die FAZ, die Amnestie empfahl, erbrachte sie nur knapp 1,4 Milliarden € statt der ursprünglich geplanten 5 Milliarden.
Warum? Die Antwort ist einfach: Teilweise wurde vermutet, es käme mit Sicherheit noch einmal eine bessere Amnestie (in Italien gab es mal einen Amnestiesteuersatz von 2,5%), vor allen Dingen allerdings wäre die Anonymität beseitigt. Klar war natürlich, dass mit der Offenbarung der Vergangenheit das Vermögen für die Zukunft fest stand und in den Folgejahren normale Steuern hätten gezahlt werden müssen. Da fühlten sich viele offenbar durch das Schweizer Bankgeheimnis, das nach Wunsch der FDP weiter gestärkt werden sollte, so sicher, dass sie meinten, nichts offenbaren zu müssen. Es gibt also keinen Grund für Mitleid mit dem vermögenden Opa, der im Zuge des kalten Krieges aus Angst vor einem Einmarsch der Russen ein Teil seines Vermögens in die Schweiz transferiert hat, und dann angeblich nicht mehr den Weg in die Steuerehrlichkeit gefunden hätte. Im Jahre 2004, lange nach Ende des kalten Krieges, bestand die Möglichkeit, unschlagbar günstig alle vorigen Fehler zu korrigieren. Man musste nur bereit sein, dann auch für die Zukunft ehrlich Steuern zu bezahlen.
Mittlerweile spitzt sich die Auseinandersetzung auf die Frage der Anonymität zu: Werden Einkünfte in der Schweiz anonym besteuert, so geht es immer nur um Zins- und Kapitaleinkünfte. Ob allerdings das Kapital aus versteuertem oder unversteuertem Einkommen stammt, bleibt damit völlig offen. Der Unterschied ist gravierend. Wer etwa im Jahre 2002 – bis dahin kann theoretisch wegen Steuerhinterziehung eine Steuernachzahlung im Moment verlangt werden – 100.000,00 € in der Schweiz mit 5 % Jahreszinsen angelegt hat, der hätte mit Zins und Zinseszins im Jahre 2011 ca. 155.000,00 €. Werden nur die Zinseinkünfte besteuert, so ergeben sich aus diesen sowie den steuerlichen Verzugszinsen (6 % pro Jahr) insgesamt ca. 30.000,00 € Steuernachzahlung. Stammen allerdings die 100.000,00 €, die angelegt wurden, aus unversteuertem Einkommen, so summiert sich die Steuernachforderung auf ca. 100.000,00 €. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass in Fällen, in denen Steuerstrafverfahren eingestellt werden, Bußgeldzahlungen i. H .v. ca. 1/3 bis ½ der hinterzogenen Steuern verlangt werden, ebenso in Fällen, in denen eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Ohne Aufhebung der Anonymität gibt es auch keinen vernünftigen Kampf gegen organisierte Kriminalität. Wäre es zur Anonymität im Rahmen des geplanten Abkommens mit der Schweiz gekommen, so gäbe es praktisch nur ein Mal – im Entstehungsjahr – Zugriff auf eventuelle Schwarzeinkünfte. Sind die Gelder erst in der Schweiz geparkt und wird dann jährlich die Kapitalertragssteuer abgeführt, lässt sich kaum noch feststellen, ob das deponierte Geld aus versteuertem oder unversteuertem Einkommen stammt.
Heute sorgt erhöhter Fahndungsdruck verbunden mit den sehr klaren Richtlinien des Bundesgerichtshofes zur Steuerhinterziehung (Kurzfassung in der Presserklärung) für eine Ablehnung der Steueramnestie selbst durch Schäuble. Auch wenn dafür erst einige Daten angekauft werden mussten („gehehlt“ wie unsere Bourgeoisierechtspartei gerne betont) um die Steuerehrlichkeit zu erhöhen, es geht auch anders als von der FDP vor 10 Jahren gefordert. Angesichts der damaligen Amnestie sind alle Gedanken absurd, man müsse den Einkommenssteuertarif nur ausreichend senken, damit „das scheue Reh“ nach Deutschland zurückkehrt. Ein funktionierendes Gemeinwesen kann die Steuern gar nicht so weit senken, dass alle freiwillig und gerne Steuern zahlen. Nicht die Stärkung sondern das Bröckeln des Bankgeheimnisses fördert die Steuerehrlichkeit.