Am 12.08.2021 findet sich auf der Webseite des Bundesgerichtshofes eine ungewöhnliche Pressemitteilung. Unter der Überschrift
Bundesgerichtshof wird demnächst über NSU-Verfahren informieren
heißt es einfach nur:
Der Bundesgerichtshof wird voraussichtlich am 19. August 2021 im Wege einer Pressemitteilung weitere Entscheidungen im sog. NSU-Verfahren (3 StR 441/20) bekannt geben, sowie über den weiteren Fortgang des Verfahrens informieren.
Was will uns das sagen? Wir unterstellen einmal, dass gerade in dieser Pressemitteilung jedes Wort mit Bedacht gewählt wurde, sicherlich auch in Abstimmung mit dem für die Entscheidung zuständigen 3. Strafsenat.
Relativ einfach ist noch der letzte Satzteil zu deuten („sowie über den weiteren Fortgang des Verfahrens informieren“). Da die Bundesanwaltschaft gegen das Urteil betreffend Andre Eminger Revision eingelegt hat, muss darüber mündlich verhandelt werden, unabhängig davon, ob der Bundesgerichtshof die Revision für begründet hält oder nicht. Eine Möglichkeit über eine gegen einen Angeklagten gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft durch Beschluss zu entscheiden, gibt es nicht. Insofern spricht also einiges dafür, dass der Bundesgerichtshof mitteilen wird, wann die mündliche Verhandlung mindestens in Sachen Eminger stattfinden wird. Theoretisch denkbar wäre natürlich auch, dass auch hinsichtlich der Revision der Verteidigung eines oder mehrerer Angeklagten ein Verhandlungstermin mitgeteilt wird.
Die Rechtsmittel sind allerdings getrennt zu entscheiden. Allein die Tatsache, dass eine mündliche Verhandlung über die Revision der Staatsanwaltschaft stattfindet heißt nicht notwendig, dass dann gleichzeitig auch die Revision des Verteidigers des Angeklagten Eminger verhandelt wird.
Verwerfung der Revision der Verteidiger?
Sehr viel interessanter ist allerdings der erste Teil der Presseerklärung, in dem mitgeteilt wird, dass „im Wege einer Pressemitteilung weitere Entscheidungen im sog. NSU-Verfahren (3 StR 441/20) bekannt“ gegeben werden.
Nimmt man die Presseerklärung wörtlich, so können die angekündigten Entscheidungen nicht lediglich die Entscheidungen über den Fortgang des Verfahrens sein, sondern eigenständige Entscheidungen. Bei Revisionen zugunsten eines Angeklagten kommt insbesondere eine Zurückweisung der Revision als offensichtlich unbegründet, theoretisch allerdings auch eine stattgebende Revision als offensichtlich begründet in Betracht. Da eine Entscheidung zugunsten der Angeklagten sicherlich einiges an Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine solche Entscheidung zu Gunsten der Angeklagten ohne mündliche Verhandlung getroffen würde. Dann aber spricht doch vieles dafür, dass am 19.8. die Revisionen eines oder mehrere Angeklagten als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen werden. Dafür spricht auch, dass die Entscheidungen im Wege einer Pressemitteilung bekannt gegeben werden sollen (was wohl eher dafür spricht, dass die Entscheidungen schon gefallen sind), obwohl der BGH auch – wie zumeist bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren – die Entscheidung im Wortlaut veröffentlichen könnte. Allerdings gibt es auch manchmal Entscheidungen, bei denen es auf der Seite des BGH lapidar heißt:
In diesem Verfahren wurde das Rechtsmittel ohne weitere Begründung verworfen.
Rechtskräftig ist somit die Entscheidung der Vorinstanz geworden, das Aktenzeichen der
Vorinstanz können Sie der Pressemitteilung entnehmen.
Es wäre wirklich schön, wenn nach dem 19. August nur noch die Frage offen wäre, ob Andre Eminger nicht doch noch einmal vor Gericht erscheinen muss.
Eberhard Reinecke