Schlagwort-Archiv: NSU

Der grausame Terror

zum zweiten Verhandlungstag im Münchener NSU-Prozess

Am 2. Verhandlungstag kam es – wenn auch nicht nur – zur Verlesung der Anklage. (Was alles passierte hat Kollege Scharmer ausführlich geschildert). Selten sind Gegensätze so aufeinandergeprallt. Eine Stunde dauerte die Aufzählung brutalster Morde, Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge, mit denen der NSU seine „nationalsozialistisch geprägten völkisch rassistischen Vorstellungen von einem ‚Erhalt der deutschen Nation‘ verwirklichen“ (Anklageschrift) wollte. Selbst das elementarste Recht auf Leben interessierte den NSU nicht.

Jetzt dann im Gerichtssaal die Diskussion um die Frage,  ob Rechte der Angeklagten verletzt wurden, weil durch angebliche Fehler bei der Akkreditierung der Presse die Öffentlichkeit nicht gewahrt wurde, oder ob der dritte Ergänzungrichter  richtig ausgewählt wurde (ein erwartbarer Antrag). Das aber ist eine allgemeine Erfahrung: Schon im Nürnberger Prozess oder im Auschwitzprozess riefen die am lautesten nach rechtsstaatlichen Garantien, die vorher „Rechtsstaat“ nicht einmal buchstabieren konnten.

„Opferfokussierung gefährdet Wahrheitsfindung“

Eine Replik auf die Strafverteidigervereinigung NRW und RA Stahl

Mit unseren Beiträgen am ersten Verhandlungstag haben wir offenbar eine längst überfällige Diskussion angestossen, die mittlerweile etwas an Sarrazin erinnert. „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ hieß es dort, „Man wird ja wohl noch Anträge stellen dürfen“, heisst es jetzt. Man darf beides, aber man darf eben auch die Äusserungen oder die Anträge kritisieren.

Am heftigsten fiel die Reaktion der Strafverteidigervereinigung NRW unter dem Titel „Opferfokussierung gefährdet Wahrheitsfindung“ aus, die natürlich auch sofort auf die Homepage von RA Stahl übernommen wurde. Selten haben wir eine so kurze Erklärung gelesen, in der soviel Falsches steht. Weiterlesen

„Ich weiß gar nicht, ob ich den Herrn noch als Kollegen bezeichnen kann“

… sagte Rechtsanwalt Heer am 06.05.2013 zu Rechtsanwalt Reinecke

Der Kölner Rechtsanwalt Wolfgang Heer ist einer der drei Verteidiger von Beate Zschäpe, Eberhard Reinecke und Reinhard Schön vertreten NSU-Oper als Nebenkläger.

Stellungnahme der Rechtsanwälte Schön und Reinecke zur Auseinandersetzung mit der Verteidigung Beate Zschäpes:

Das Zitat in der Überschrift war das Ergebnis zweier Stellungnahmen, die wir zu den Befangenheitsanträgen der Verteidigung Zschäpe und der Verteidigung Wohlleben abgegeben hatten. Darin offenbart sich aber auch ein grundsätzlicher Konflikt, der dieses Verfahren in München durchziehen wird. Die Fragen heissen einfach: Gibt es Wichtigeres als eine „Verteidigerstrategie“? Was bedeutet die Unschuldvermutung und wer ist an sie gebunden. Gibt es Verbindendes zwischen der Verteidigung Zschäpe (oder auch anderer Verteidiger) und den Nebenklägervertretern, weil wir alle als Rechtsanwälte tätig sind und jeder auch schon mal auf der anderen Seite steht?

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Vertagung des Prozess um eine Woche – Wer trägt die Verantwortung?

Der Prozessverlauf des ersten Tages im NSU-Verfahren ist hinreichend dokumentiert, etwa von Lena Kampf in Stern.de (sehr einfühlsam aus Sicht von Opfern) oder auch von Gisela Friedrichsen in Spiegel Online. (Wir sehen unsere Aufgabe auch ohnehin nicht in einer protokollartigen Berichterstattung, wir wollen einzelne Gesichtspunkte behandeln).

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Wenn sich Herr Wohlleben als Kalligraph betätigt

Ein Detail des Befangenheitsantrages des angeklagten Rechtsextremisten  Wohlleben   ist doch schildernswert. Drei Richter seien befangen, weil sie Briefe beschlagnahmt hätten auf denen Sie Hakenkreuze erkannt hätten; das sei Verfolgungswahn, schliesslich handele es sich um kalligrafische Darstellung des F durche Herrn Wohlleben. Weiterlesen

Videoübertragung in einen anderen Raum?

von RA Eberhard Reinecke, 23.4.2013

Spiegel online berichtet, dass im Wege der Verfassungsbeschwerde eine Übertragung des Prozesses in einen anderen Raum durchgesetzt werden soll. (Zusatz 25.4.2013: Das BVerfG hat den Antrag abgelehnt). Der Antrag an das OLG ist uns bekannt, nicht aber, dass dieses den Antrag bereits abgelehnt hat (was wohl formelle Voraussetzung für eine Verfassungsbeschwerde wäre). Wir haben – auch aus Opfersicht – zu dem Antrag gegenüber dem OLG Stellung genommen. Wir halten das Restrisiko eines Formfehlers für zu hoch und haben geschrieben:

„Es ist für uns ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Wahl des Verhandlungsraumes problematisch ist und insbesondere auch für die Vielzahl der Opfer und Betroffenen zu einer
schwierigen Situation führt.

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