Wer – wie der Verfasser – mehr oder weniger regelmäßig die NJW (Neue juristische Wochenschrift – die grösste Juristenzeitung) liest und dabei auch die (hinteren) Umschlagseiten durchblättert, trifft ein- bis zweimal im Monat auf die Mitteilung darüber, in welchen Büros sich wieder was geändert hat. Da wechselt also Rechtsanwalt X von Großkanzlei A zu Großkanzlei B und nimmt auch noch gleich einige Anwälte seines Teams mit. Die deutsche Anwaltschaft scheint danach sehr wechselfreudig zu sein, über die Gründe erfährt man wenig, in vielen Fällen dürfte – was dann allgemein als durchaus verständlich angesehen wird – die Honoraraussichten eine Rolle spielen. Vielleicht ist es aber in dem einen oder anderen Fall auch so, dass die Mandanten der bisherigen Kanzlei dem Anwalt nicht so zusagen wie die Mandanten in der neuen oder dass bestimmte Mandanten ihre Stammkanzlei wechseln, es aber gerne sehen, wenn in der neuen Kanzlei sie auch weiter von bestimmten Anwälten (mit)vertreten werden. Ohne Zweifel gibt es auch Fälle, in denen persönliche Animositäten eine Rolle spielen und der oder die Anwältin nicht unbedingt mit weiteren Kollegen in einer Kanzlei zusammenarbeiten wollen oder umgekehrt, oder auch wichtige Mandanten einen Anwalt nicht mögen. All das ist normal, eine Gefährdung des Rechtsstaates hat daraus noch niemand hergeleitet.
Wenn sich nun aber die Verteidigerin von Beate Zschäpe von ihrer Kanzlei in Berlin trennt oder diese sich von ihr, so rauscht es im Blätterwald und prinzipielle Fragen der Verteidigung werden plötzlich erörtert. Die WELT-online schlägt gleich zweimal zu, einmal – wie eine Vertriebenenpostille – unter der Überschrift: „Beate Zschäpes Anwältin verliert Job und Heimat“ Dann wird noch einmal in einem Kommentar nachgesetzt mit: „Im Zweifel gilt der Rechtsstaat auch für Rechte“ Etwas zurückhaltender SPIEGEL-ONLINE: „Zschäpe-Verteidigerin Sturm: Flucht aus Berlin“
Es ist eine Frage der Ethik, ob man Rechtsradikale verteidigt
In dieser Auseinandersetzung wird so getan, als gäbe es eine Verpflichtung der Allgemeinheit, sich mit besonderer Hochachtung der Verteidigung Zschäpe zu nähern, weil diese doch zur Verteidigung der Rechtsordnung diese schwierige Aufgabe übernommen hat. Derlei ist schlicht absurd. Rechtsanwalt Dr. Christian Schertz, ein bekannter Medienrechtler, mit dem ich – wenn wir aufeinander treffen – nahezu nie derselben Meinung bin, hat alle in diesem Zusammenhang stehenden Probleme sehr prägnant in einem Interview mit der Zeitschrift „Anwaltsblatt – Karriere“ (ist wohl für Jungjuristen gedacht) im Jahre 2009 wie folgt zusammengefasst (wobei es völlig egal ist, dass der Kollege nach meiner Kenntnis nicht in Strafverfahren tätig ist):
Frage der Redaktion: Wie viel Ethik braucht ein Anwalt? „Viel. Wir haben ganz klare Regeln:Wir vertreten keine Rechtsradikalen, keine Sexualstraftäter und keine Sekten. Die haben auch Anspruch auf einen Anwalt. Das können aber andere machen. Ich möchte aber meine Kenntnisse nicht Dingen zur Verfügung stellen, die ich grundsätzlich ablehne.Wir arbeiten auch nur mit den Methoden, die der Rechtsstaat uns bietet. Und ich mache auch keine Fälle, bei denen ich der Auffassung bin, dass ich eigentlich auf der falschen Seite stehe.“
Es trifft zu, dass niemand ein bestimmtes Mandat übernehmen muss und dass zu Recht Anwälte auch daran gemessen werden, welches Mandat sie übernehmen und welches nicht Das ist eben eine Frage der Ethik. Und wenn die Berliner KollegInnen diese Ethik zum Masstab für die Wahl zur Strafverteidiger-Vereinigung machen, dann ist das Ihr gutes Recht.
Das Interessante am Fall Sturm ist daher eigentlich weniger, dass die Übernahme des Mandates zu Trennungen führt, dass es Anfeindungen gibt – zugegebenermaßen auch von uns als Nebenklägervertreter – sondern das Spannende an dieser Auseinandersetzung ist, dass gerade im Zusammenhang mit der Verteidigung von Rechtsradikalen das hohe Lied der Strafverteidigung gesungen wird, von dem z.B. ein Verteidiger, der „Klau-Kids“ vertritt noch nie gehört hat.
Rechtsradikale ohne Anwälte?
Da wird zunächst so getan, als wäre es ein besonderes Opfer, Frau Zschäpe zu verteidigen. Es ist ein völliger Irrglaube zu meinen, Frau Zschäpe hätte sonst keine Verteidiger gefunden, wenn nicht Stahl, Heer und Sturm diese Aufgabe übernommen hätten. Mir hat einmal die Ehefrau eines des Doppelmordes Verdächtigten erzählt, wie bei ihr 14 Tage lang das Telefon nicht stillstand, nachdem der volle Name ihres Mannes in der Zeitung stand, weil ständig Anwälte bei ihr anriefen, die unbedingt diesen Doppelmörder verteidigen wollten. Auch bei Frau Zschäpe und den anderen Angeklagten hätten wahrscheinlich Anwälte Schlange gestanden, um die Verteidigung übernehmen zu dürfen.
Weil es ihre freiwillige Entscheidung ist, das Mandat zu übernehmen, dürfen sowohl Kollegen, wie Mandanten des Büros Frau Sturm an dieser Entscheidung messen. Dass Anwaltsbüros an Ihren Mandanten gemessen werden und umgekehrt die Mandanten wert auf bestimmte Anwälte legen, ist doch selbstverständlich. Wenn wir in Mietsachen vornehmlich Mieter vertreten, werden wir uns nicht beschweren können, dass der Haus- und Grundbesitzerverein nicht voller Hochachtung für unsere schwere Aufgabe ist, sondern eher vor uns warnt. Natürlich wird in der Hauskanzlei des Springerverlages kein Anwalt tätig sein der damals und heute „Enteignet Springer“ fordert, in einer google-Kanzlei wird kein engagierter Datenschutzanwalt arbeiten und in der Kanzlei von Sony niemand, der eine Solidaritätsadresse für „Pirate bay“ unterschreibt. Es wird in diesem Kanzleien auch als unschicklich gelten, solche Mandate zu übernehmen, und in Springerzeitungen würde all dies mit der kapitalistischen Weisheit untermalt: „Man beisst nicht in die Hand, die einen füttert.“
Wenn jetzt aber die Kanzlei, in der Frau Sturm bisher gearbeitet hat, angeblich den Verlust von Mandaten mit türkischen Migrationshintergrund befürchtet, dann ist das – laut WELT – ein bedenklicher Vorgang. Hatten unsere türkischen Mitbürger doch schon 12 Jahre Gelegenheit, die Segnungen der deutschen Rechtsordnung bei der Verhinderung und Aufklärung von Morden zu erfahren. Jetzt aber sollen sie doch bitte Verständnis für eine Kanzlei haben, in der eine Person verteidigt wird, die – mindestens – 12 Jahre mit den Mördern zusammengelebt hat. Dass die WELT dies in Zusammenhang mit türkischen Mandanten stellt, spricht für sich. Unsere Kanzlei würde – falls wir Rechtsradikale verträten – sicherlich mehr Mandanten ohne Migrationshintergrund verlieren als mit. Es gibt eben auch viele Deutsche, die nichts mit einer Kanzlei zu tun haben wollen, in der eine Verteidigerin von Beate Zschäpe arbeitet. Trotzdem: Soviel soziale Ächtung wird es nicht geben, dass es keine Anwälte für Frau Zschäpe gibt.
Geschichtsklitterung zum Nürnberger Prozess und den RAF-Verfahren
Bei seinem Plädoyer für die „Rechte der Rechten“ scheut sich Herr Krauel in der WELT auch nicht vor der Geschichtsklitterung zurück. Schliesslich hätten auch die Angeklagten im Nürnberger Prozess Verteidiger gehabt (gemeint wohl: die nicht angefeindet wurden). Na und wie viele erst. Wahrscheinlich waren an die 50 Millionen der Deutschen damals der Meinung, dass es sich um eine ungerechte Siegerjustiz handelt, sozial geächtet wurden nicht die Verteidiger, sondern die, die Kriegsverbrechen beim Namen nannten.
Und die RAF-Anwälte, die laut WELT zur Berühmtheiten wurden? Trat Ihnen die Gesellschaft mit Hochachtung für Ihre schwere Aufgabe entgegen? Wurden sie – wie Frau Sturm – von der Springerpresse für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen? Hören wir doch einmal hinein in einen Fernsehkommentar aus dem Jahre 1974 von Mathias Walden, späteren Mitherausgeber der WELT anlässlich der Ermordung des Präsidenten des Berliner Kammergerichtes:
„Die Saat der Gewalt war aufgegangen lange bevor dieser Mord geschah. Und ob die Saat der Gewalt aufgeht und wie fruchtbar sie ist, hängt von der Beschaffenheit des Bodens ab, in den sie eingebracht wird. Dieser Boden war vom Unkraut der Ideologie, der Komplizenschaft, des Sympathisantentums, dem Opportunismus und der Leisetreterei überwuchert. Die Trauer um das bisher letzte Todesopfer der Gewalt des Radikalismus verbietet nicht, sondern gebietet, das hier ganz deutlich auszusprechen.
Unter dem dringenden Verdacht der Beihilfe zum Mord wurden eine Sozialhelferin und ein Vikar der Evangelischen Kirche verhaftet. Ihre Schuld ist bisher nicht erwiesen. Aber erwiesen ist, daß jener Vikar aktiver Helfer der Baader-Meinhof- Bande war und ein prominenter Theologieprofessor diese Komplizenschaft öffentlich als die „rechte Haltung eines Jüngers Jesu“ bezeichnete. Der Boden der Gewalt wurde durch den Ungeist der Sympathie mit den Gewalttätern gedüngt. Jahrelang warfen renommierte Verlage revolutionäre Druckerzeugnisse auf den Büchermarkt. Heinrich Böll bezeichnete den Rechtsstaat, gegen den die Gewalt sich richtet, als „Misthaufen“ und sagte, er sähe nur „Reste verfaulender Macht, die mit rattenhafter Wut verteidigt“ würden. Er beschuldigte diesen Staat, die Terroristen „in gnadenloser Jagd“ zu verfolgen“.
Wann hätte man derartiges auch nur im entferntesten zu Sympathisanten rechten Gedankengutes gelesen? (Dieses Zitat hat es im übrigen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht, weil Walden falsch zitierte und nach einer Entscheidung des BVerfG 40.000,00 DM an Heinrich Böll zahlen musste). Wie war das damals mit dem gesellschaftlichen Ansehen der RAF-Anwälte?
Ich habe Anfang der 70-er Jahre mein Referendariat im Büro des Hamburger Rechtsanwaltes Kurt Groenewold absolviert, ein Rechtsanwalt, der im Zentrum der Hetze gegen die „RAF-Anwälte“ stand. Ich kann mich nicht erinnern, dass seinerzeit fein zisilierte Erwägungen über das Recht auf Verteidigung verbreitet wurden.
Wo stand und steht „Die Anwaltschaft“
Es ist ja ehrenwert, dass Otmar Kury, der jetzige Präsident der Hanseatischen Anwaltskammer, in SPIEGEL-online das Recht auf Verteidigung (das niemand bestreitet) hervorhebt. In den 70er-Jahren unterstützte die Anwaltschaft als Ganzes nicht die unter enormen Druck stehenden Kollegen, die in RAF-Verfahren verteidigten. Herr Kury war wohl noch nicht Anwalt, als 1974 (eventuell auch 75) die Versammlung der Rechtsanwaltskammer in Hamburg stattfand, die sicherlich über viele Jahre hinweg die am besten besuchte war. Hier hatten eine Reihe von der Linken zuzuordnenden Rechtsanwälte Resolutionen eingebracht, mit denen insbesondere gegen die Anti-Terror-Gesetze Entschließungen gefasst werden sollten. So war etwa das bis zum damaligen Zeitpunkt bestehende Recht, dass ein Anwalt in demselben Tatkomplex mehrere Beschuldigte verteidigte, abgeschafft worden bzw. sollte abgeschafft werden. Alarmiert durch die Mobilisierung der Linken erschienen dann auf der Kammerversammlung eine große Zahl von Rechtsanwälten aus den sogenannten „renommierten Büros“, die diese Anträge nicht nur niederstimmten, sondern teilweise auch niederschrien. Herr Kury sollte also die damaligen Protokolle nachlesen und sich bei dieser Gelegenheit vielleicht auch noch damit befassen, dass es eine Reihe von linken Kollegen gab, die ihre Aufnahme in den Hamburger Anwaltsverein gerichtlich durchsetzen wollten, wogegen der Verein bis zum Bundesgerichtshof kämpfte.
Und wer das damalige allgemeine Klima zum Thema „Recht auf Strafverteidigung“ nachvollziehen möchte, dem sei das Nachlesen der Sitzung des Deutschen Bundestages zum Thema „Kontaktsperregesetz“ im Herbst 1977 empfohlen.
Die RAF-Anwälte sahen sich – anders als es jetzt suggeriert wird – einer breiten gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt. Sie haben das allerdings ohne zu Jammern und auch ohne Unterstützung der Springerpresse ausgehalten.
„Verteidigung von Menschen statt Taten“ – „rechtliche nicht inhaltliche Verteidigung“
Da heißt es in Spiegel-online, Frau Sturm hätte erklärt, sie vertrete Menschen und keine Taten, in der Welt-online heißt es: „Die willentliche Verwechslung von rechtlicher mit inhaltlicher Verteidigung, die Interpretation der Berufsbezeichnung „Anwalt“ als eines Anwalts der Sache statt der Rechtsordnung …“
Was heisst das „Anwalt der Rechtsordnung?“ Gehört der staatliche Strafanspruch auch zu der Rechtsordnung und muss der Anwalt ihn durchsetzen? Ist dem Mandanten wirklich damit gedient, wenn er zwar verurteilt wird, aber der Anwalt ihm erklärt, das hätte schon alles seine Richtigkeit, weil der Prozess so fair gewesen sei und der Vorsitzende die Strafe doch so freundlich und höflich begründet hätte. Eigentlich ist in Anwaltskreisen Konsens, dass gerade die einseitige Interessenwahrnehmung Aufgabe des Anwaltes ist, und zwar die Interessen des Mandanten. Auch die Verteidigung Zschäpe hat bisher nicht erklärt, dass sie nicht die Interessen von Frau Zschäpe sondern die Rechtsordnung verteidigt.
Und was meint Frau Sturm mit „Menschen zu verteidigen und nicht Taten“. Wie äußert sich dieses eigentlich in der Verteidigung? Noch bis in die 80-er Jahre hinein galt Rechtsanwalt Bossi als „der“ Strafverteidiger der Bundesrepublik, gerade in Kapitaldelikten. Bei ihm konnte man sich vorstellen was das Zitat von Frau Sturm bedeutet, zielte seine Verteidigung – gerade auch in öffentlichkeitswirksamen Verfahren wie die des Kindermörders Bartsch, des Frauenmörders Honka oder der Schauspielerin Ingrid van Bergen – doch darauf ab, die Taten selbst und die Täterschaft seiner Mandanten nicht in Abrede zu stellen, sondern vor allen Dingen die Schuldfähigkeit/Zurechnungsfähigkeit zu problematisieren. So wird allerdings Frau Zschäpe nicht verteidigt. Natürlich geht es der Verteidigung gerade darum, die Verantwortung von Frau Zschäpe für die einmalig brutalen Taten in Abrede zu stellen. Nicht einmal die ansonsten so beliebte „moralische Mitverantwortung“ (ohne juristisches Schuldeingeständnis) wurde von Frau Zschäpe indes übernommen. Von der Verteidigung gibt es bis heute keine eindeutige Erklärung zu den Taten – unabhängig von den Tätern –, erkennbar hält die Verteidigung sich sämtliche Optionen offen bis dahin, dass vielleicht auch die Täterschaft von Böhnhard und Mundlos geleugnet werden soll.
Das Stockholm-Syndrom
Nun ist es sicherlich so, dass man sich als Verteidiger oder auch ansonsten in Zivilverfahren nicht mit seinem Mandanten „identifizieren“ muss. Genauso klar ist allerdings auch, dass man besser Mandate ablehnt, in denen man überhaupt keinen Zugang zum Mandanten persönlich oder zu der Angelegenheit, die man für ihn vertreten soll, findet. Natürlich haben auch wir schon Verteidigungen durchgemacht, wo man den Mandanten für ein echtes Miststück hielt und fand, dass er – auch mit unserer Hilfe – unverschämt günstig davongekommen ist. Das kann auch mal funktionieren, wenn es sich um eine kurze Verteidigung handelt, die nach ein, zwei Tagen abgeschlossen ist. Geht es aber um eine jahrelange Verteidigung, so ist völlig unausweichlich, dass sich so etwas wie ein „Stockholm-Syndrom“ einstellt. Man kann als Verteidiger/in nicht jeden Abend nach Hause kommen, in den Spiegel gucken und sich sagen, was man heute wieder für ein Miststück vertreten hat. Das kann selbst der grösste Zyniker nicht durchstehen. Man wird hier notwendigerweise nach Wegen suchen, seine eigene Tätigkeit – jenseits abstrakter Verteidigung der Rechtsordnung – für sich selbst zu rechtfertigen. Man muss hier ein Mitgefühl für Mandanten entwickeln und das heißt im konkreten Fall auch, man muss die Abscheulichkeit, Brutalität und Einmaligkeit der Taten relativieren. Man kann eine solche Verteidigung nicht führen, ohne objektiv zur Verharmlosung des rechtsradikalen Terrors beizutragen. Wer sich dessen nicht vor Mandatsübernahme bewusst ist, der kann sich dann hinterher vielleicht über die ablehnende Reaktion der Umgebung wundern. Wer allerdings – wie wir – der Auffassung ist, dass es höhere Werte gibt als das Recht auf Strafverteidigung, der misst natürlich auch selbstverständlich einen Verteidiger in einem gewissen Umfang an seinen Mandanten.
Kommen wir auf das Zitat von Dr. Schertz zurück: „Ich möchte aber meine Kenntnisse nicht Dingen zur Verfügung stellen, die ich grundsätzlich ablehne.“
Entweder die Verteidigung Zschäpe macht genau dieses, stellt Ihre Kenntnisse Dingen zur Verfügung, die sie grundsätzlich ablehnt, dann wird sie nicht lange durchhalten können, oder sie lehnt die Dinge zumindest nicht so grundsätzlich ab, wie der Grossteil der Gesellschaft. Wir tendieren zu letzteren.
Eine alte Frage: Darf man Vergewaltiger verteidigen?
Diese ganze Diskussion ist im Übrigen nicht neu. Sie begann Mitte der 70-er Jahre als Diskussion um die Frage, ob man Vergewaltiger verteidigen kann, in Hamburg ausgelöst durch einen der Linken zuzurechnenden auch heute noch recht bekannten Strafverteidiger der einen Vergewaltiger – nach meiner Erinnerung – so gut verteidigte, dass er freigesprochen wurde. Die Diskussion um diese Frage wurde im Übrigen damals in den linken Anwaltsbüros unter Einbeziehung der Beschäftigten geführt, später Ende der 70-er Jahre auch öffentlich auf einem Strafverteidigertag. Das Problem dabei ist völlig klar: Man kann einen die Tat leugnenden „Vergewaltiger“ nicht verteidigen, ohne das Opfer in den Schmutz zu ziehen. Nun soll es in der Tat Fälle geben, in denen Personen zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigt wurden und in denen in der Tat Frauen aus Rache solche falsche Behauptungen sich ausgedacht haben. Nach meinem persönlichen Eindruck sind allerdings die Fälle, in denen Männer freigesprochen werden, obwohl sie es „eigentlich“ waren, sehr viel häufiger, als die Fälle, in denen Männer zu Unrecht verurteilt werden. Als Verteidiger kann ich – bei allen Appellen an den Mandanten – nie sicher sein, ob er mir die Wahrheit sagt oder nicht. Ich weis also nie sicher, ob der erforderliche Angriff auf die Zeugin zu Gunsten eines „Schuldigen“ oder „Unschuldigen“ erfolgt. Bei der Diskussion um die Frage „darf man Vergewaltiger verteidigen“, habe ich allerdings einen Vorwurf immer für absurd gehalten, nämlich den Vorwurf, dass jemand einen Vergewaltiger „besonders gut“ verteidigt hätte. Man kann eine Verteidigung übernehmen oder man kann sie ablehnen, man kann sie aber nicht übernehmen, um sie dann bewusst schlecht zu führen. Das wäre eindeutig Parteiverrat. Von daher stellt sich immer bei Mandatsübernahme die grundsätzliche Frage, ob man das Mandat übernehmen will oder nicht. Wir haben uns genau deswegen entschieden z. B. nicht nur keine Mandate von Rechtsradikalen zu übernehmen, sondern auch keine Mandate von Vergewaltigern und zwar völlig unabhängig von der Frage, ob diese ihre Unschuld beteuern oder nicht.
Diese Entscheidung hätten Sturm, Heer und Stahl auch von Anfang an treffen können. Sie haben sich – offensichtlich auch gerne und aus Interesse – für die Mandatsübernahme entschieden. Wir hatten hier bereits früher das ZDF Heute Journal zu den Karriereaussichten der Anwälte zitiert. Wir meinen, dass diese Verteidigung objektiv das Geschäft von Rechtsradikalen betreibt und wir sehen keinen Grund, in irgendeiner Form Hochachtung dafür zu empfinden, dass diese Kollegen die „schwere Aufgabe“ übernommen haben.
Eberhard Reinecke