Saure Gurkenzeit vorbei – Verteidigung weiter ohne Konzept

Eigentlich soll es in diesem Jahr keine „saure-Gurken-Zeit“ gegeben haben. Wirklich: in der großen Politik war zu viel los. Nicht so in unserem (NSU)Prozess. Hier menschelte es in der Sommerpause, die in dieser Woche halb zu Ende ging (richtig geht es dann am 15.9. los). Endlich die lange vermissten Homestorys, so dass wir jetzt nicht nur alles aus der Familie von Frau Sturm wissen, sondern auch schon einen tiefen Einblick in die Abiturzeitung von Herrn Grasel gewinnen konnten und jetzt wissen, dass er mal Chefredakteur einer Schülerzeitung war. Wer also gerne beim Friseur oder Zahnarzt zu People-Magazinen wie Gala und Bunte greift, kann sich jetzt auch anderweitig befriedigen.

Wir hatten schon häufiger Zweifel geäussert, ob die „Altverteidiger“ ihre Mandantin richtig beraten; es spricht nun aber alles dafür, dass Frau Sturm selbst gar nicht oder falsch beraten wurde, als sie Informationen an das SZ-Magazin gab; zumindest falls Frau Sturm irgendwann beabsichtigt, unangenehme Berichte über ihr Privatleben zu unterbinden. Wer sich so mit intimen Details von Krankheit über Trennung bis zur Tasse der Kinder gegenüber der Presse öffnet, wird diesen Geist auch bei weniger freundlichen Berichten nicht mehr in die Flasche zurückbekommen. Das funktioniert dann so etwas nach der Parole: „wer mit der Bildzeitung nach oben fährt, fährt mit ihr auch wieder nach unten“.

Bei Herrn Grasel gefällt uns besonders, dass er doch schon einige Worthülsen beherrscht. „Ich sehe mich als einer von vier Verteidigern und nicht als einer gegen drei.“  (faz.net). Er betrachte sich  als „Bindeglied“ zwischen der Mandantin und den Verteidigern. Nun ja, eine Kette ist bekanntlich nur so stark wie ihr schwächstes Glied.

Wir finden, dass die Thüringer Allgemeine doch realistischer ist, wenn sie einfach von einem Anwalt berichtet, der im Knast versucht, Mandate zu requirieren und dabei auf Frau Zschäpe stösst. Wie weit Herr Grasel sich jetzt eingearbeitet hat, wissen wir nicht, aber einen Antrag hat er während der Sommerpause gestellt: Nämlich ihm die Kosten für seinen neuen Laptop zu erstatten (abgelehnt, weil zu spät gestellt). (Ergänzung: fast 14 Tage nach uns hat sich auch die Lokalausgabe von BILD mit diesem Antrag befasst.)

Gibt es eine neue Strategie?

Und dann natürlich immer wieder die Frage nach der eventuell neuen „Strategie“. „Schweigen als Strategie“ dürfte auch für das bisherige Verteidigungsverhalten etwas hochtrabend sein. Durch Schweigen werden vorhandene belastende Indizien nicht aus der Welt geschafft. Schweigen kann also nur dann funktionieren, wenn es gleichzeitig eine „Strategie“ gibt, mit der die belastenden Indizien erschüttert werden. Die Unfähigkeit dazu zeigte sich bereits am ersten Tag nach der Sommerpause. Vernommen wurde Kai S. der mit seiner Aussage, wie wir früher berichtet hatten, sowohl Zschäpe wie Wohlleben erheblich belastete. Der Zeuge erwischte damals die Verteidigung auf dem falschen Fuß, diese musste beantragen, die Vernehmung zu unterbrechen, um sich auf die Befragung des Zeugen vorzubereiten. Das Gericht kam dem Wunsch nach, am 2.9. stellte die Verteidigung Zschäpe – jetzt einschliesslich des neuen „Strategen“ – keine Fragen. Dies mag bei den Altverteidigern daran gelegen haben, dass Frau Zschäpe ihnen auch weiter ihr „exklusives Wissen“ vorenthalten hat, Herr Grasel hatte allerdings gegenüber der FAZ erklärt (wir wollen hier nicht die Frage erörtern, ob diese Äusserungen nicht – gemessen an dem Maßstab der Strafanzeige von Zschäpe gegen die Altverteidiger – eine Verschwiegenheitspflichtverletzung darstellen):

„Er frage, wenn er etwas nicht wisse, immer seine Mandantin, die Antwort komme dann prompt. „Das geht schneller, als erst eine halbe Stunde lang in den Akten zu suchen.“…..
„Jede Frage, die ich habe, beantwortet sie. Oft geht es auch über das hinaus, was ich gefragt habe.“ Ein „Informationsdefizit“ habe er also gar nicht – eine deutliche Replik auf die Vorwürfe, die Sturm, Stahl und Heer ihrer Mandantin in einem Brief gemacht hatten.“

Wenn also auch er nichts zu fragen hatte, dann ist das wirklich beredtes Schweigen, es gibt keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Angaben dieses Zeugen.

Völlig unspektakulär dann Verlesungen am 3.9.. Zunächst aus der Korrespondenz  des Trios vor dem Untertauchen mit rechtsradikalen Strafgefangenen. Bemerkenswert und ohne Zweifel belastend dabei vor allem die Diskussion um den Kampf in kleinen Zellen. Mundlos berichtete im Brief auch davon, dass er von „Beate angeschissen“ worden war, weil er nicht früher geschrieben hatte; ein weiteres (kleines) Indiz für die durchaus wichtige Rolle, die Zschäpe im Trio auch schon vor dem Untertauchen hatte.

Verlesen wurden auch Auszüge aus einem Mietvertrag, den Frau Zschäpe abgeschlossen hatte. Hintergrund war ein alter Antrag von uns, der auf die politische Einstellung der Angeklagten vor ihrem Untertauchen abzielte. Zwar wusste eigentlich jeder, dass Frau Zschäpe diese Wohnung angemietet hatte, doch die StPO verlangt, dies durch Beweismittel in die mündlich eingeführt wird.  So schloss sich dann auch hier wieder eine weitere Indizienkette. Das alles ist zwar trocken und langweilig, folgt aber der klaren „Strategie“, Schritt für Schritt die belastenden Indizien einzuführen.

Eberhard Reinecke