und weiter: „Es sprechen gute Gründe dafür, dass die Gruppe namens NSU von linksradikalen Kräften erfunden wurde, um die hervorragend arbeitenden Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern anzugreifen und insbesondere den seit langer Zeit erprobten Grundsatz „Quellenschutz geht vor Strafverfolgung“ zu diskreditieren“.
Ich räume ein: Das werden wir wohl nicht hören, aber die aktuelle Äußerung von Maaßen läßt eine solche Analogie zu (ohne die Vorfälle in Chemnitz mit den ungleich mörderischen des NSU gleichsetzen zu wollen). Laut taz (da übrigens auch die harten Fakten; es lohnt sich zu zahlen, falls man nicht ohnehin Abonnent ist) sagte Maaßen zur Bild:
„Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz werden von mir geteilt. Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben. Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Nach seiner vorsichtigen Bewertung „sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.
Ganz anders das Bundesamt selbst, das eine Presseerklärung nach der Devise: „Nichts genaues weis man nicht“ herausgab, u.a.:
„Die sozialen Medien spielten auch hier für die Mobilisierung und die individuelle Meinungsbildung eine große Rolle. Gerade dort finden sich aber immer wieder Fake-News und Versuche der Desinformation. Das BfV prüft alle zugänglichen Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts, um zu einer belastbaren Einschätzung der Ereignisse zu kommen. Die Prüfung insbesondere hinsichtlich möglicher „Hetzjagden“ von Rechtsextremisten gegen Migranten wird weiter andauern.“
„Keine belastbaren Informationen“?
Doch einmal Schritt für Schritt: „Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen“ vor. Das kann vieles heißen. Ohne Zweifel hätte noch bis zum 3.11.2011 (einem Tag vor der Selbstenttarnung des NSU) auf entsprechende Frage die Antwort des Bundesamtes gelautet: „Es liegen weder dem Bundesamt noch den Landesämtern belastbare Informationen vor, dass es in Deutschland eine im Untergrund arbeitende rechtsradikale Terrorgruppe gibt.“ Natürlich setzt die Aussage von Maaßen auf die (angebliche) Autorität seiner Person, nicht der Fakten. Wenn die „belastbaren Informationen“ irgendein Gewicht haben sollen, müßte doch klar sein, wieviel Beobachter das Bundesamt wo gehabt hat. Gab es überhaupt welche? Nach der Presseerklärung will das Bundesamt öffentlich zugängliche Quellen auswerten. Allerdings hält Maaßen die vielleicht für „Lügenpresse“. Oder gab es eventuell V-Leute die auch gerade mit dem Heben des rechten Arms ihre Keuschheitsprobe ablegten, und natürlich geschützt werden müssen? Oder beobachteten die V-Leute den Angriff auf ein jüdisches Lokal? Gibt es dazu belastbare Informationen beim Bundesamt? Oder gab es V-Leute, die in langer Tradition der NSU V-Männer gerne des Geld nehmen und dann erzählen, was der rechten Bewegung nützt? Wenn das Bundesamt einen irgendwie gearteten Informationsvorsprung haben will, den Maaßen letztlich für sich reklamiert, müßte dieser personell unterfüttert sein.
Nicht authetischer Film?
Auch das ist doch eigentlich einfach. Auf dem „Hasi-Film“ sind nun Örtlichkeiten zu erkennen. Es kann ja nicht schwer sein, nachzuprüfen ob die Szene in Chemnitz spielt. Wenn ja, kann es nur noch darum gehen, ob der Zeitpunkt stimmt. Allerdings wäre es für die politische Aussage über die Stimmung in Chemnitz kaum besser, wenn diese Hetzjagd an einem anderen Tag stattgefunden hätte, also sogar ohne jeden Vorwand. Was also soll daran nicht authentisch sein? Selbst im rechten Blog Compact-online, aus dem Herr Maaßen vielleicht seine öffentlich zugängliche Informationen beziehen wird, wird nicht die Authentizität des Filmes bezweifelt sondern eher die lächerliche Frage diskutiert, wieviel Menschen (1, 2 oder gar mindestens 5) hinter wieviel anderen (1, 2 oder 5) auf welcher Strecke (100m, 200m oder gar 400m) hinter herlaufen müssen, damit man von einer „Hetzjagd“ sprechen kann. Für das Opfer allerdings dürfte es ziemlich egal sein, ob er 50 oder 500m gehetzt wird, ob er alleine war und auch der Angreifer alleine war (vor allem wenn dieser offenbar nicht einmal mit der Aufforderung „Hasi bleib hier“ von seinem Tun abgehalten werden konnte).
Gute Gründe für „gezielte Falschinformation“?
Natürlich hat Maaßen keinerlei Gründe genannt, schon gar nicht gute. Es ist schlicht der Versuch, die rechtsextremen Horden zu verharmlosen. Das ist allerdings keine Einzelfall. Gerade aktuell unterschlägt das Innenministerium in der Aufstellung rechter Gewalttaten die Straftaten des NSU, wir hatten bereits früher einmal darauf hingewiesen, dass der Chef des LKA in Sachsen-Anhalt darüber schwadronierte, dass ein Brandanschlag in Tröglitz auch von der linken Szene begangen sein könnte.
Maaßen als Verschwörungstheoretiker
Die Denkstrukturen von Maaßen sind typisch für einen Verschwörungstheoretiker, der bekanntlich u.a. den kriminalistischen Grundsatzes „cui bono“ (wem nützt es) verabsolutiert. Weil angeblich das Video von dem Tötungsdelikt ablenkt und den Protesten dagegen, muss es von denen erfunden sein, die etwas gegen die rechten Proteste haben (die Maaßen für berechtigt hält?). Hat man erst einmal über „cui bono“ den Täter ausgemacht, gilt dann der zweite Grundsatz aller Verschwörungstheoretiker: „Wenn ich weiß, wie es gewesen sein muß, muß ich nicht mehr recherchieren, wie es wirklich war.“
Eberhard Reinecke
P.S. NIcht immer gefallen wir seine Kolumnen, aber hier hat Thomas Fischer ins Schwarze getroffen.