Je rechtsblinder, desto unschuldiger

Zum Plädoyer von Rechtsanwalt Kaplan im Verfahren gegen den Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Lübke.

Im Spiegel lesen wir heute (21.01.2021) zum Plädoyer von Rechtsanwalt Kaplan für seinen Mandanten unter anderem folgendes:

„Ernst sei es nicht um einen eigenen Vorteil gegangen. Ernst habe in einer rechtspopulistischen Blase gelebt: Um ihn herum nur Menschen, die seine politische Einstellung teilten – selbst bei der Arbeit. »Die Tötung war ein politisches Ziel, vom Irrglauben geleitet, im Allgemeininteresse zu handeln«, sagt Kaplan. Lübcke sei für Ernst »kein namenloser Repräsentant des Staates« gewesen, sondern ein konkret Verantwortlicher für eine aus seiner Sicht verfehlte Flüchtlingspolitik.“

Das zieht einem schon fast die Schuhe aus. Abgesehen davon, dass in der Rechtsprechung geklärt ist, dass rechtsextreme und rassistische Motive niedere Beweggründe darstellen, fragt man sich, wie es jemanden über die Lippen kommen kann, auch nur seinem Mandanten zu konzedieren, „im Allgemeininteresse zu handeln“. Eine Spur von Plausibilität, hätte dies nur dann haben können, wenn Rechtsanwalt Kaplan damit die Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten infrage gestellt hätte, da dieser an Größenwahn leide.

Nachträgliche Verteidigung des NSU

Nun saß Rechtsanwalt Kaplan auch als Nebenklagevertreter im NSU Verfahren. Wir wissen natürlich nicht, ob er die Akten kannte und zugehört hat. Immerhin hatte der NSU im sogenannten NSU Brief folgendes ausgeführt:

Solange sich keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt. Getreu dem Motto „Sieg oder Tod“ wird es kein Zurück geben. Entschlossenes, bedingungsloses Handeln soll der Garant dafür sein, dass der morgige Tag dem deutschen Volke gehört.

Man kann also sagen, Mundlos, Böhnhart und Zschäpe waren geradezu die klassischen altruistischen Täter, die sogar zur Verteidigung der Meinungsfreiheit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen wollten. Vielleicht hat Rechtsanwalt Kaplan in dem Verfahren auch mitbekommen, dass in den ersten beiden Varianten des Bekennervideos (nicht dem Paulchen Panther Video) der NSU jeweils gehöhnt hat

„… (Name des Getöteten) weiß jetzt, wie ernst uns die Erhaltung der deutschen Nation ist“.

Auch hier also offensichtlich Tötungen „vom Irrglauben geleitet, im Allgemeininteresse zu handeln“. Wir halten einmal fest, dass nicht einmal im NSU Verfahren irgendeiner der Verteidiger auf eine solche Idee gekommen ist, nicht einmal der NPD Funktionär Nahrath, der am liebsten noch den „Volkstod“ des deutschen Volkes im Prozeß untersuchen wollte. Zwar verteidigte er den Angeklagten Wohleben, dessen Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord war allerdings auch von der Haupttat abhängig, auch diese Verteidiger hätten durchaus Grund gehabt, die Argumentation von Rechtsanwalt Kaplan aufzugreifen, weil dann keine niederen Beweggründe vorgelegen hätten. Was kann es im „Irrglauben“ eines Rechtsradikalen eigentlich wichtigeres geben, als den sogenannten „Volkstod“ zu verhindern.

„Wir verteidigen Menschen“

Wir hatten bereits früher einmal mit „Heuchelden Strafverteidigern“ befasst und insbesondere der Behauptung, es würden Menschen und keine Taten verteidigt. Damals hatten wir unter anderem geschrieben:

Während Mustafa Kaplan ….. nur ernst in die Kamera guckte, sprach Frank Hannig:

„Wir verteidigen Menschen und keine Taten, wir stehen hier nicht aus Sympathie oder Antipathie zu irgendwelchen politischen Ansichten, sondern weil jeder Mensch das Recht auf ein Faires und rechtstaatliches Verfahren hat.“

Im Kölner Express können wir aber  zum Mitverteidiger Kaplan lesen:

Auf die Frage, warum er den Rechtsextremen Stephan E. vertritt, sagt Kaplan: „Mich reizt der hoch spannende Fall.“ Welche politischen Ansichten der Mann habe, spiele für ihn keine Rolle

Jetzt kommt alles noch schlimmer, Rechtsanwalt Kaplan verteidigt nicht nur die politischen Anschauungen seines Mandanten als strafmildernd, sondern erteilt einer ganzen Bewegung die Absolution; wer sich nur fest genug einbildet, dass seine rechtsradikalen Anschauungen dem wirklichen Wunsch des deutschen Volkes entsprechen, der kann auch nicht Mörder sondern allerhöchstens Totschläger sein.

Nur einmal in der Geschichte der Bundesrepublik konnte die Rechtsblindheit zum Freispruch führen, als es um die Richter am Volksgerichtshof ging. Je fester diese daran glaubten, dass Führerbefehle anwendbares Recht seien, desto weniger konnten sie Rechtsbeugung begehen. Vielleicht hätte Rechtsanwalt Kaplan diese Tradition noch aufgreifen können, und erklären, dass sein Mandant sich für die Taten auf einen „Führerbefehl“ berufe.

Eberhard Reinecke

Update:

Ich werde gerade darauf hingewiesen, dass RA Kaplan am Ende seines Plädoyers zum Vorsitzenden sagte „Sie sind ein wunderbarer Vorsitzender“. Und das zu einem Vorsitzenden, der zu Beginn des Prozesses noch zum Angeklagten sagte: „Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich“. Ein bischen mehr Selbstachtung könnte für einen Verteidiger angebracht sein, steht doch nicht zu erwarten, dass der Vorsitzende artig anwortet: „Sie sind ein wunderbarer Verteidiger“.