Mit freundlicher Genehmigung des Kollegen Langer dokumentieren wir sein Plädoyer in zwei Teilen. Teil 1 zum NSU Mord in Rostock, der akribisch den Ablauf nachzeichnet und auch die Ermittlungen der Polizei. Er hat Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Frau Zschäpe eventuell selbst an der unmittelbaren Tatausführung beteiligt war.Das Plädoyer fand positive Resonanz in der Presse (Süddeutsche und SPIEGEL-Online). Teil 2 befasst sich mit einzelnen Aspekten von Aussagen der Angeklagten Zschäpe und weiteren Aspekten der Ceska-Serie. (RA Langer selbst hat in seinem Plädoyer die Angeklagten und die verstorbenen Täter abgekürzt: BZ=Beate Zschäpe, UM=Uwe Mundlos, UB=Uwe Böhnhardt, RW=Ralf Wohleben, AE = André Eminger, HG = Holger Gerlach, CS = Carsten Schulze. Andere Abkürzungen sind von mir im Rahmen der Veröffentlichung vorgenommen worden. E.Reinecke)
B. Die Senat und die Erwartungen an ihn Die Angeklagten mit Bezug zur Ceska-Mordserie
Im zweiten Teil komme ich zu verschiedenen Aspekten dieses Verfahrens.
1. Eingangs erlaube ich mir einige Worte zum Senat:
a) Ich habe großen Respekt vor dem Vorsitzenden, der mit dem heutigen Tag 400 HVTe hochkonzentriert geleitet hat bzw. leitet, der eine außergewöhnliche Kenntnis des Aktenstoffes offenbart hat, der eine – fast stoische – Geduld gegenüber vielen (durchaus auch zulässigen) „Störmanövern“ (der Verteidigungen) gezeigt hat. Er leitete die Verhandlung mit großer Umsicht und tritt jedem Verfahrensbeteiligten professionell und freundlich gegenüber. Bei den nicht unüblichen, wenigen, kleinen, hitzigen Scharmützeln zeigt der Vorsitzende, daß er auch durchaus energisch werden kann und schafft es so, die Verhandlungsleitung fest in der Hand zu behalten. Ggf. sorgt er notfalls mit einer spontanen Pause für eine schnelle Beruhigung aller erhitzten Gemüter. Mir erschien der Vorsitzende gegenüber Zeugen, die offenkundig stärker an der Wahrheit vorbeigingen und einigen – fast freistilartigen – Anträgen der Verteidigungen zu großzügig, aber das Ergebnis der bisher übervorsichtig geleiteten Hauptverhandlung wird ihm später wohl Recht geben. Nicht zu vergessen ist: Ihm zur Seite stehen auch die weiteren Senatsmitglieder, die wir – bis auf Verlesungen – zumeist schweigend erleben, aber bei denen davon auszugehen ist, daß sie nicht nur den Verfahrensstoff genauso präzise kennen, sondern bei den vielen auch zeitnah verkündeten und stets exakt formulierten Beschlüssen ihre Handschrift hinterließen. Ich persönlich finde es ein wenig schade, daß bei diesem Senat offenbar die ungeschriebene Regel gilt, daß nur der Vorsitzende selbst Fragen stellt, nicht aber die einzelnen Senatsmitglieder. So war für die anderen Verfahrensbeteiligten immer recht zuverlässig die Befragung durch das Gericht beendet, wenn der Vorsitzende sich erkundigte: „Hat der Senat noch Fragen?“. Ich finde jedoch, es hätte keine Schwächung der Rolle des Vorsitzenden bedeutet, wenn die Senatsmitglieder direkt aus dem Verlauf der Verhandlung Fragen gestellt hätten.
b) Der Senat hat mit großer Sachlichkeit ein sehr umfangreiches Beweisprogramm, einschließlich zahlreicher Beweisanträge der Nebenkläger (und natürlich auch der Verteidigungen) abgearbeitet. Dabei wurde zahlreichen Beweisanträgen nachgekommen, etliche wurden mit akribischer Begründung abgelehnt – natürlich nicht zur Überzeugung und Zufriedenheit der Antragsteller. Da beziehe ich mich selbst mit ein. Auch fand ich viele Beweisanträge meiner Nebenklägervertreterkollegen, denen der Senat schließlich nicht nachging, engagiert, wohldurchdacht, im Sinne einer weitgehenden Aufklärung des NSU-Komplexes sehr sachbezogen und äußerst sinnvoll. Und mich hätten auch die Ergebnisse solcher Beweisanträge, wäre man ihnen nachgegangen, interessiert. Wenn der Senat allerdings davon ausgeht, daß diese nicht unbedingt zwingend zur Feststellung der Tat-, Schuld- und Straffrage der hiesigen Angeklagten waren, wird dies schwer zu beanstanden sein. Es ist eine Gratwanderung, da zwar der Senat ein Ermessen hat, wie umfangreich der Sachverhalt aufzuklären ist. Er steht dabei jedoch vor dem Dilemma, die Rechte der Angeklagten möglicherweise zu beeinträchtigen, wenn ein Verfahren deutlich länger dauert als notwendig. Es ist also ein steter Kampf zwischen einer umfassenden Aufklärung und der notwendigen Begrenzung eines umfangreichen Prozeßstoffes. Sehr leicht hätte das Nachgehen aller abgelehnten Anträge das Verfahren um ein weiteres Jahr oder mehr „verlängert“. Letztlich mußten die Kollegen der Nebenklage, die den Senat dafür kritisierten, alle einräumen, daß sie von einer Aufklärung durch das Gericht in dem Umfang ausgehen, daß damit eine Verurteilung gemäß den Anträgen der GBA erfolgen kann. Damit steht aber inzident im Umkehrschluß fest: Eine Ausweitung der Beweisaufnahme im Sinne des Strafprozeßrechts ist nicht angezeigt. Es ist wie bei einem gut komponierten Schachproblem. Alle Figuren die auf dem Brett stehen, müssen für die richtige Lösung und alle Nebenvarianten eine konkrete Funktion haben. Jede weitere Figur auf dem Brett, die die Lösungsvarianten zwar nicht beeinträchtigt, aber letztlich ohne Funktion ist, stellt einen groben Kompositionsfehler dar.
c) Ein hoher Druck lastet auf dem Senat. Besonders in dreierlei Hinsicht:
aa) Zuerst die Erwartungen der Opfer: Sie erwarten nicht nur eine angemessene Verurteilung der Täter entsprechend ihrer Schuld, sie wünschen auch Ausführungen im Urteil, die der historischen und politischen Dimension des Verfahrens gerecht werden, die auch deutlich machen, daß gerade die strafprozessualen Beschränkungen keinen Schlußpunkt für die Aufklärung der Verbrechen und ihre Hintergründe darstellen können. Dies kann und darf der Senat in seinem Urteil tun.
bb) Danach die Erwartungen der breiten Öffentlichkeit. Ich nehme es vorweg: Diese kann und wird der Senat nicht erfüllen. Denn es gibt sie ja gar nicht, die „breite Öffentlichkeit“. Es gibt nur viele Einzelpersonen, die auch mit einem völlig unterschiedlichen Kenntnisstand zur NSUProblematik ausgestattet sind. Da gibt es eine breite Skala: Abgeordnete mit vertiefter Kenntnis, die in den verschiedenen Untersuchungsausschüssen zum NSU mitgearbeitet haben oder mitarbeiten; Medienvertreter, die in die Problematik gut eingearbeitet sind und zeitnah, sachkundig und teilweise auch mit sehr langem Atem berichten; dann die geschärft aufmerksamen Interessenten, die zur Thematik erschienene Bücher gelesen haben und sorgfältig die Medienberichterstattung verfolgen, die vielleicht auch eine Sitzung selbst als Zuschauer im Saal miterlebt haben; dann die durchschnittlichen Zeitungsleser, die Berichte zu diesem Prozeß interessiert nicht überblättern; dann schon Personen, die genervt reagieren, wenn Sie nur NSU-Prozeß hören und damit ein niemals endendes Verfahren und hohe Kosten verbinden; bis hin zu – vergleichsweise wenigen – Verschwörungstheoretikern aller Lager und einiger unverbesserlicher Ewiggestriger. Die Erwartungen all diese Gruppen sind unbeachtlich.
cc) An letzter Stelle, aber keineswegs letztrangig: Die Erwartungen der Angeklagten: Auf ein faires Verfahren. Das sage ich nicht nur so hin. Denn trotz des hohen Aufwandes und des langen Verfahrens müssen die Angeklagten davon ausgehen dürfen, daß der Senat bis zum letzten Schlußwort der Angeklagten die Sache ergebnisoffen hält. Bitte halten Sie mich nicht für naiv. Natürlich weiß ich, daß eine Überzeugungsbildung sich nicht erst dann auf Gongschlag einstellt. Natürlich weiß ich, daß die Haftbefehle, gerade wenn Sie durch den BGH bestätigt wurden, eine Richtung „vorgeben“ oder „freimachen“. Natürlich ist mir klar, daß der Senat die Beweisaufnahme nicht schließen könnte, wenn er nicht schon eine recht gewisse Tendenz für ein Ergebnis hätte. Die Senatsmitglieder sind Menschen und Menschen bei Entscheidungsprozessen sind kaum rational zu erfassen, oft weiß es der Einzelne selbst nicht, was letztlich den Ausschlag für eine Entscheidung gibt und wann diese innerlich gefallen ist. Ein Korrektiv ist hier, daß sich die fünf Senatsmitglieder gegenseitig immer wieder „überprüfen“ sollen. Der Senat muß für jeden Angeklagten seine individuelle Rolle tatsächlich feststellen und rechtlich bewerten und jeweils eine gerechte Strafe aussprechen. Das sagt sich leicht hin, ist aber schwer angesichts eines Verfahrensstoffes, der so umfangreich ist, daß erst nach über vier Jahren Prozeßdauer die Feststellung der Tat-, Schuld- und Straffrage der hier sitzenden Angeklagten geklärt erscheint.
2. Dies vorausgeschickt, nun einige Ausführungen zu den einzelnen Angeklagten, die einen Bezug zur Ceska-Mordserie aufweisen.
Diese können nach dem in weiten Teilen sehr gründlichen und überzeugenden Ausführungen der GBA und zahlreichen von Nebenklägervertretern angesprochener Aspekte nur vereinzelte Punkte betreffen. Ich will hier auf solche zu sprechen kommen, die ich für erwähnenswert erachte und die bislang nicht oder in einem anderen Sinne angesprochen wurden. Dabei komme ich zunächst zu drei vom Zentrum des NSU weiter entfernten Angeklagten – CS, RW, HG – und zuletzt zur Angeklagten BZ.
a) CS, RW, HG
aa) Zu CS hat die GBA weitgehend alles gesagt, dem auch zuzustimmen ist. In wenigen Details, die ggf. zu einer etwas anderen Bewertung führen können, ist meines Erachtens zu differenzieren. Zunächst: CS hat umfassend ausgesagt und ist – aus meiner Sicht – glaubwürdig. Diese Glaubwürdigkeit ergibt sich daraus, daß er sich offensichtlich bemüht hat, sein Wissen zu den verschiedensten Punkten umfassend mitzuteilen, auch zu einigen Umständen, die seinerzeit den Behörden nicht bekannt waren. Wann immer man Objektivierbares zu seinen Aussagen fand, stimmte es im Wesentlichen überein. Natürlich verblassen Details in der Erinnerung, wenn Sie aus damaliger Sicht weniger Bedeutung hatten. Das hat die GBA sehr aufwendig und detailreich dargelegt, dabei zeitliche Abfolgen sehr differenziert herausgearbeitet und sich auch nicht gescheut, eine Auseinandersetzung mit den Teilaspekten zu betreiben, die den eigenen Thesen gegenläufig erschienen. Dabei hat OStA Weingarten – durchaus nachvollziehbar – herausgestellt (insbesondere am 379. HVT, 01.08.2017, vormittags), daß er gewisse – seiner Meinung nach auftretende – Unebenheiten in der Aussage des CS sieht. Diese führt er auf ein Erklärungsmuster zurück, wonach CS offen und unbeeindruckt von Nachteilen für sich selbst und andere über objektive Vorgänge berichte. Subjektiv aber gäbe es Bereiche, die er nicht ganz genau schildere, weil er die Konsequenzen solcher Erkenntnisse vor sich selbst nicht vorbehaltlos eingestehen will. Dafür liefert OStA Weingarten mehrere Beispiele, die grundsätzlich eine solche Erklärung tragen können. Eines dieser Beispiele empfinde ich dort als zu Unrecht eingeordnet. CS schilderte, daß RW in seiner Anwesenheit ein Telefonat mit UB/UM führte und nach der Beendigung des Gesprächs gelacht und gesagt habe: „Die haben jemanden angeschossen.“, wobei er das Lachen RWs so nach dem Motto „die Idioten“ in Erinnerung habe. Hier will die GBA den Vorgang auf die Zeit vor der Waffenübergabe im Frühjahr 2000 einordnen, und unterstellt CS, daß er das Gespräch nur deshalb auf die Zeit nach der Waffenübergabe verlegen würde, weil er den Umstand der Erkenntnis (vor der Waffenübergabe), daß UB/UM tatsächlich auf Menschen schießen, von sich wegschieben wolle. Begründet wird dies auch damit, daß der Jemanden-angeschossen-Vorfall nicht der Vorgang des Luftgewehrschusses in der Wolgograder Allee im Juni 2000 sein könne, sondern es müsse sich, so OStA Weingarten, auf den Schuß beim Raubüberfall im Dezember 1998 nach Verlassen des Edeka-Marktes bezogen haben. Das überzeugt mich nicht.
(Im Folgenden begründet RA Langer dies umfangreich, auf den Nachdruck wird hier verzichtet)
bb) RW hat dieses Telefonat stets abgestritten, obwohl ich überzeugt bin, daß er sich gut daran erinnert. Ihm ging es dabei darum, die Glaubwürdigkeit CSs zu schmälern, der damals keine objektivierbare Bestätigung für diesen Vorgang erbringen konnte und eine solche damals auch unter keinen Umständen zu erwarten war. Es mag sogar sein, daß ihm diese taktische Unwahrheit damals prozessual „richtig“ erschien, es ihm aber jetzt nicht mehr gut möglich ist, dies zu korrigieren, weil er damit seine Glaubwürdigkeit insgesamt unterminieren könnte. Denn er hat in seiner verlesenen Erklärung am 251. HVT (16.12.2015) dieses von CS geschilderte Telefonat nicht nur vehement bestritten, sondern noch einen Alternativsachverhalt mitgeteilt, mit dem CS „sein“ Telefonat verwechselt haben müsse (Er müsse wohl ein angebliches Telefonat mit dem Zeugen Andre Kapke oder dem Zeugen Tino Brandt meinen, von denen einer über Schußverletzungen bei einem Dritten während eines Südafrika-Urlaubs berichtet hätte.) RW hat hier selbst eine Erklärung verlesen und sich dann grundsätzlich den Fragen aller Verfahrensbeteiligten gestellt. Jedoch hat er – wie bereits RA Hoffmann in seinem Plädoyer erwähnte – trotz mehrfacher Nachfrage verschiedener Nebenklagevertreter sein Paßwort zum Öffnen der noch verschlüsselten Festplatte nicht herausgegeben (Ass. 24.1.3.1, PC Revoltec, obere Festplatte; BKA-Vermerk, SAO 550, Bl. 204). Die Begründung, die er lieferte, ist nicht sehr plausibel. Angeblich wäre diese Festplatte ohnehin nur eine datengleiche Spiegelung der bereits offenen Festplatte auf demselben PC. Dann gibt es allerdings keinen Grund, dies nicht durch Paßwortherausgabe kurz überprüfen zu lassen. Es ist RW immer noch möglich, das Paßwort zu benennen und damit seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
cc) Nun etwas ausführlicher zu HG.
Detailliert hat OStA Weingarten am 381. HVT (01.09.2017, nachmittags) für RW und CS die Voraussetzungen der Beihilfe subsumiert und dabei zugleich einen imposanten Überblick über die umfangreiche Gedankenwelt der BGH-Rechtsprechung zu diesem Thema – bis in dieses Jahr hinein – gegeben. Dort will ich auch nicht weiter einhaken. Problematisch erscheinen mir die Ausführungen zu HG, soweit diese auch die Mordfälle der Ceska-Serie betreffen. OStA Weingarten kommt hier zum Ergebnis, daß keine Beihilfe zum Mord anzunehmen sei. Dabei stellt er die Unterstützungshandlungen und den dazu korrespondierenden Kenntnisstand HGs in Vergleich zu AE und zeigt den nach seiner Ansicht dafür entscheidenden Unterschied auf. Auch damit möchte ich mich nicht beschäftigen. Mich interessiert vor allem, was OStA Weingarten in seiner Prüfung nicht explizit untersucht hat: den Vergleich in Unterstützungshandlung und Kenntnisstand zwischen RW/CS einerseits und HG andererseits. Um hier nicht uferlos zu werden, beschränke ich meine nachfolgenden vergleichenden Betrachtungen allein auf den Mordanschlag auf Mehmet Turgut am 25.02.2004 in Rostock, der besonders plastisch verdeutlicht, daß hier ein qualitativer Unterschied schwer sichtbar ist oder ein solcher so hauchdünn sein muß, daß er nicht jedem sofort erkennbar wird.
(1) Durch den mittäterschaftlich begangenen Mord mit der Ceska 83 mit Schalldämpfer am 25.02.2004 liegt eine Haupttat durch die aus UB/UM/BZ bestehenden Vereinigung NSU vor.
(2) Der objektive Gehilfenbeitrag von RW und CS liegt in der Beschaffung der Schußwaffe Ceska 83 mit Schalldämpfer und ihrer Übergabe an UB/UM. Der objektive Gehilfenbeitrag von HG liegt in der Beantragung und Übergabe des Führerscheines (Ass. 1.4.31.0) und der Mitwirkung an der Erstellung eines Paßbildes seiner Person, das der UBs täuschend ähnlich sah. Obwohl eine Kausalität der Gehilfenhandlung nicht notwendig ist (Fischer, StGB, 64. Auf. 2017, § 27, Rn. 14), liegt eine solche in beiden Fällen vor. Ohne die konkret eingesetzte Ceska 83 hätte der Mord so nicht erfolgen können, ohne den Führerschein hätte UB nicht als – scheinbar – legitimierter Fahrer im Straßenverkehr das Wohnmobil von Chemnitz nach Rostock führen können. Dadurch kamen die Haupttäter an den Tatort. Ferner war dieser Führerschein zwingend notwendig, um das Wohnmobil überhaupt erst anmieten zu können (SAO 84, 34, auf HG ausgestellte Rechnung). Dies ist auch nichts Neues, denn bereits OStA Weingarten sah die objektive Gehilfenhandlung auch bei HG bereits erfüllt. Die Rechtsprechung macht ferner – auf der Ebene der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit der Beihilfe – keinen Unterschied über den „Wertgehalt“ der geleisteten Gehilfenbeiträge (hier: Schußwaffe oder Führerschein). Es geht nur um die Frage einer objektiven Förderung der Haupttat.
(3) Auch gibt es hier kein Problem beim Zeitpunkt der Beihilfehandlung. Dies spricht eher sogar gegen HG: Denn während RW/CS die Waffe zu einem Zeitpunkt übergeben haben, als die Haupttäter selbst noch gar nicht zur Mordserie entschlossen gewesen sein dürften und es hier in Bezug auf den Fall in Rostock sogar mehrere Jahre bis zur Ausführung dauerte, gibt es bei der Beihilfehandlung von HG durch Verschaffung des (Ersatz-) Führerscheins deutlich engere zeitliche Bezüge. Der von HG für UB beantragte (Ersatz-) Führerschein wurde am 04.02.2004 ausgestellt und somit 3 Wochen vor dem Mord an Mehmet Turgut am 25.02.2004 ausgegeben. Offenbar warteten die Haupttäter dringend auf diesen Führerschein, um ihre Mordserie fortsetzen zu können. Auch hatten die Haupttäter bereits vier Menschen in gleichartiger Begehungsweise ermordet und waren nun entschlossen, diese Mordserie fortzusetzen. Es lag also hier, anders als bei RW/CS im Zeitpunkt der gewährten Beihilfe, bereits der konkretisierte Tatentschluß der Haupttäter vor. Richtig hatte jedoch OStA Weingarten unter Verweis auf zwei BGH Entscheidungen (BGH, Az.: 3 StR 48/52, Urteil vom 24.04.1952, Juris- Rn. 5; Az.: 3 StR 49/16, Urteil vom 20.09.2016, Juris-Rn. 17) ausgeführt, daß es nicht darauf ankommt, ob der Haupttäter im Zeitpunkt der Beihilfe bereits zur Haupttat entschlossen ist. Auch kommt es nicht darauf an, ob ein längerer Zeitraum zwischen Beihilfehandlung und Haupttat liegt. Um es somit klar zu sagen: Herr Gerlach, Sie sind o b j e k t i v in jedem Fall neben UB/UM/BZ die gleichwertige Ursache für die Ermordung von Mehmet Turgut. Ohne Bereitstellung Ihres beantragten (Ersatz-) Führerscheins Anfang 2004 wäre dieser Mord nicht durchführbar gewesen! Denn dann hätten UB/UM nicht am 23.02.2004 ein Wohnmobil auf Ihren Namen anmieten können. OStAin Greger vermerkte am 376. HVT (26.07.2017, vormittags), daß die Gruppe UB/UM/BZ einen „eigenen“ Führerschein genau deshalb erlangen wollte, um zukünftig die Fahrzeuge selbst anmieten zu können. UB hatte keinen gültigen Führerschein. Der Führerschein war notwendig, damit die seit 2001 unterbrochene Mordserie fortgesetzt werden konnte. Bei Mehmet Turgut gab es – ich sprach es bereits an – eine weitere Besonderheit. Er war nicht der Inhaber des Imbißstandes in Rostock-Toitenwinkel, sondern half dort zeitweise aus. Wenn Ihr Führerschein nicht gewesen wäre und UB sich alternativ woanders etwas Vergleichbares hätte organisieren müssen, ist es unrealistisch, daß er dies kurzfristig noch im Februar 2004 geschafft hätte. Selbst wenn sich UB/UM/BZ auf einem anderen Wege später einen Führerschein besorgt hätten und auch von ihrem Vorhaben nicht abgelassen hätten, in Rostock-Toitenwinkel einen Menschen zu ermorden, hätten sie mit Sicherheit dort nicht Mehmet Turgut angetroffen. Für Mehmet Turgut war Ihr UB zur Verfügung gestellter (Ersatz-) Führerschein genauso tödlich wie die Ceska 83. Sie haben es der seit 2001 30 Monate lang schlummernden, mit einer tödlichen Schalldämpferpistole bewaffneten Zeitbombe NSU ermöglicht, sich zum Rostocker Tatort zu bewegen und dort zu explodieren!
(4) Die subjektive Seite der jeweiligen Beihilfehandlungen stellt sich mir im Vergleich RW/CS zu HG wie folgt dar: (Es folgen umfangreiche – insbesondere juristische – Ausführungen zur Beihilfe, die hier nicht dokumentiert werden.)
b) BZ
Ich komme zu BZ und ausgewählten Punkten ihrer schriftlich vorbereiteten Einlassung, die von ihren „Neu“-Verteidigern verlesen und von ihr bestätigt wurde. Die Auswahl hängt auch damit zusammen, daß zahlreiche Punkte bereits von der GBA oder anderen Nebenklagevertretern besprochen wurden und ich Wiederholungen vermeiden möchte. Daher beschränke ich mich auf folgende fünf Punkte:
aa) „Fackel ab“ (BZ-E 1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 11 f.)
(1) BZ führte aus, am 26.01.1998 hätte sich UB, während der Hausdurchsuchung bei ihm, entfernt und sei mit seinem Auto davongefahren. Er hätte BZ angerufen, ihr gesagt, daß „die Garage aufgeflogen“ sei und von ihr wörtlich verlangt „Fackel ab“. Sie habe sich dann eine 0,7-Liter- Flasche besorgt, diese an „der Tankstelle“ aufgefüllt und sei mit dieser Flasche unter dem Arm zur Garage gelaufen, um mit Hilfe des Benzins das dort gelagerte Propagandamaterial zu verbrennen. Ganz in der Nähe der Garage hätte sie jedoch mehrere Personen, die anscheinend ihr Auto reparierten, wahrgenommen. Dieser Umstand hätte sie davon abgehalten, das Benzin in der Garage auszuschütten und anzuzünden, da sie wegen des dortigen Schwarzpulvers befürchtet habe, die Garage könnte explodieren. Unverrichteter Dinge habe sie sich dann in die Wohnung der Eltern des Volker H. begeben, wo sie UB/UM getroffen hätte.
(2) Der Sinn dieser Einlassung ist klar. BZ möchte hier darstellen, daß sie trotz der Aufforderung seitens UBs kein Feuer gelegt hat, weil sie sich um die unbeteiligten Personen gesorgt hätte. Dies soll offenbar auch abfärben auf die Vorgänge der von ihr am 04.11.2011 verursachten Brandexplosion in der Frühlingsstraße 26, wo sie auch vorgegeben hat, sich umsichtig zuvor erkundigt zu haben, ob Personen gefährdet sein könnten. Verkürzt: Brände und Brandexplosionen veranlasse ich nur, wenn keine Menschen dabei zu Schaden kommen. Fragen beantwortete sie zu diesem Punkt nicht.
(3) Die Einlassung ist in diesem Punkt nicht glaubhaft. BZ hat nicht erläutert, wie sie auf die Schnelle eine 0.7-Liter-Flasche, deren Öffnung deutlich schmaler ist als die Öffnung eines Benzinzapfhahns, an einer Tankstelle befüllt haben will. Sie sagte auch nicht, an welcher Tankstelle dies geschehen sein soll. Auch sagte sie nichts dazu, daß eine Tankstelle weniger als einen Liter gar nicht abrechnet und es auch sehr auffällig gewesen wäre, eine solche Mindermenge in einem untauglichen Gefahrgutbehälter zu transportieren und etwa damit zur Bezahlung an die Kasse zu gehen. Ebenfalls sagt sie nichts dazu, wo sie die mit Benzin gefüllte Flasche letztlich gelassen haben will und wie UB auf diese „Befehlsverweigerung“ reagiert hat. Entscheidend ist jedoch, daß diese Angaben rein zeitlich nicht aufgehen. Die Durchsuchung der Garage Nr. 5 an der Kläranlage begann bereits um 8:15 Uhr und endete um 13:00 Uhr (etwa ThUA-Abschlußbericht 5.1, Drs. 5/8080, Rn. 1089). Die polizeiliche Außensicherung der Garage begann schon um 6:45 Uhr und wurde bis 12:00 Uhr aufrechterhalten (aaO.). UB hat sich jedoch erst zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr von den Durchsuchungsmaßnahmen in der Garagen Nr. 6 ggü. der Wohnung seiner Eltern, Richard-Zimmermann-Straße, entfernt (aaO., Rn. 1080). Somit konnte BZ frühestens 8:30 Uhr das „Fackel ab“ von UB telefonisch vernommen haben. Sie benötigte aber noch Zeit zum Befüllen einer Flasche mit Benzin und sie mußte den Weg zu den Garagen an der Kläranlage zu Fuß zurücklegen. Dort konnte sie aber nicht mehr angekommen sein und die von ihr mitgeteilten Überlegungen angestellt haben. Denn dieses Objekt war seit Stunden umfassend gesichert und vor der Garage Nr. 5 selbst und im Umfeld war bereits ein massives Polizeiaufgebot sichtbar. Hier zeigt sich, daß die gesamte Geschichte mit „Fackel ab“ und der 0,7- Liter-Flasche mit Benzin frei erfunden ist.
bb) Auch die Darstellung BZs zur Inbrandsetzung der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 unter Absicherung, daß die Nachbarin Frau Erber n i c h t in Ihrer Wohnung geweilt hätte, ist nicht stimmig (BZ-E-1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 37 ff.). In ihrer eigenen Einlassung belegt BZ selbst, daß sie nicht sicher sein konnte, daß Frau Erber nicht zu Hause war.
(1) BZ hätte sich, bevor sie das Benzin verschüttet habe, zur Wohnung Erber begeben und dort geklingelt, um sie zu warnen und zu veranlassen, aus dem Haus zu gehen. Sie habe geklingelt und niemand habe geöffnet. Danach habe sich BZ wieder in die eigene Wohnung begeben. Dort habe sie ihre zwei Katzen in deren Korb gesetzt, danach ihre Tasche gepackt und auf den Flur gestellt. Danach will sie abgeklärt haben, ob die Handwerker im Dachgeschoß zugegen sind. Dazu hätte sie erst überprüft, ob deren weißer Transporter im Umfeld vor dem Haus parkte. Dann sei sie ein paar Treppenstufen nach oben gelaufen und habe sich mit einem lauten „Hallo“ bemerkbar gemacht. Dabei habe sie noch die Gehörprobe auf Arbeits- und Musikgeräusche angestellt. Dann sei sie zurück in ihre Wohnung gegangen und habe die Kamera kontrolliert und festgestellt, daß der Transporter der Handwerker nicht zugegen war. Nun habe sie etwa die Hälfte der sog. Bekenner-DVD´s, aus dem Abstellraum geholt und diese in den Briefkasten gesteckt, der sich vor dem Haus befand. Dann sei sie wieder zurück in die Wohnung gegangen und hätte in allen Räumen das Benzin verteilt verschüttet.
(2) Wenn dieser Ablauf unterstellt würde, konnte BZ gerade nicht sicher sein, daß – jedenfalls in Bezug auf die Wohnung Erber – niemand mehr in der anderen Haushälfte aufenthältlich ist. Die Vielzahl von der Angeklagten durchgeführten Tätigkeiten im Anschluß an den mutmaßlichen Klingelversuch an der Wohnungstür Erber bedeuten allerwenigstens 10 Minuten, realistischerweise 15 bis 20 Minuten Zeit bis zum Anzünden ihrer Wohnung. Allein die gründliche Verteilung des Benzins in der großen Wohnung dürfte realistischerweise 10 Minuten gedauert haben. Selbst wenn also zur Zeit des Klingelversuches Frau Erber nicht zugegen gewesen wäre, konnte BZ nicht „gutgläubig“ davon ausgehen, daß 10 bis 20 Minuten später sich keine Person in der anderen Haushälfte aufhielt. Wie wollte sie auch ausschließen, daß sich nicht gerade in dieser Zeit jemand in eine der Wohnungen der anderen Haushälfte begeben hat? Sie konnte also erkennbar bei einer solchen Zeitspanne nicht sicherstellen, daß sich bei Inbrandsetzung eines Hauses mit mehreren Wohnhaushalten keine Personen mehr darin befanden.
(3) Da der von BZ geschilderte Ablauf also lebensfremd ist und auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür sprechen, ist es naheliegend, daß solche Warnungen an Personen, die sich im Haus Frühlingsstraße 26/26 a aufhielten oder hätten aufgehalten haben können, seitens BZs nicht veranlaßt wurden. Hierbei fällt auch ins Gewicht, daß sie etwa Fragen der Nebenkläger zu dieser Thematik nicht beantwortete (etwa RA Langer, 295. HVT, 06.07.2016, Fragen zu Pkt. 10).
cc) Ein weiterer Punkt ist die Einlassung BZ zu der sog. Bekenner-DVD. Diese ist zum einen in sich widersprüchlich, zum anderen ist die Darstellung technisch unmöglich.
(1) Zuerst führt BZ ein, daß sie 2000/2001 aus Gesprächen von UB/UM erfahren haben will, daß UM ein Video „über die Raubüberfälle“ planen würde (BZ-E-1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 46). In den Jahren 1998 bis 2001 wurden jedoch lediglich 5 Raubüberfälle begangen, so daß sich schon die Frage stellt, was der Stoff sein soll, der einen DVD-Film dafür hergibt.Es gab allenfalls kleine Zeitungsartikel in Lokalblättern und 1999 im Fernsehen einen Kripo-Live-Bericht über den ersten Raubüberfall von 1998. Es wurden später im sog. „Zeitungsarchiv“ keine Artikel zu den Raubtaten gefunden, ebensowenig der Mitschnitt der Kripo-Live Sendung von 1999. Auch wird BZ widerlegt durch die tatsächlichen sog. Vorgängerversionen, in denen kein einziger Raubüberfall erwähnt ist. Ebenso wurde bei dem umfangreichen Material an Filmsequenzen, die nicht in der Endfassung oder den beiden Vorgängerversionen des sog. Bekennervideos verwendet wurden, kein Bezug zu einem der Raubüberfälle gefunden. Ferner widerspricht BZ sich in ihrer weiteren Einlassung selbst:
„Uwe Mundlos wollte, daß alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres Tuns die DVD sei.“ (aaO., S. 34) „Wie schon beschrieben sollte einerseits ihre persönliche Habe vernichtet werden, andererseits der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, daß sie es waren, die die Morde begangen hatten.“ (aaO., S. 36)
Damit hat sie genau belegt, daß sie wußte, daß die DVD die Mordtaten behandelte. Falsch ist hierbei vor allem, daß BZ den Inhalt der DVD in der verschickten Fassung nicht gekannt hätte. Denn wenn sie selbst – was jedoch falsch ist – davon ausging, daß „der Öffentlichkeit mitgeteilt werden“ sollte, daß die Personen UB/UM es gewesen sein sollten, „die die Morde begangen hatten“, mußte sie davon ausgehen, daß ihre eigene Rolle dabei mit anklang. Dazu war offenkundig bekannt, daß UB/UM mit BZ gemeinsam in den Untergrund gegangen sind und dann die erste Frage der Ermittler ihrer Person gegolten hätte. Dies alles konnte sie nur ausschließen, weil sie den Inhalt der DVD kannte, sie also wußte, daß auf der DVD kein einziger Bezug zu den Personen UB/UM – und auch nicht zu ihr selbst – hergestellt wurde. Sonst hätte sie doch die adressierten und frankierten Briefumschläge mit den sog. Bekenner-DVDs nicht vor ihrer Flucht in den Briefkasten geworfen, da ihr zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht klar war, ob sie sich stellen würde. Es ist aber auch absolut lebensfremd, daß BZ zwar von allen Mord- und Sprengstofftaten 2000 bis 2007 wußte, ebenso daß über Jahre eine DVD erstellt wird, die über „die Morde“ und (angeblich) ihre Mörder berichtet, die über viele Monate in großer Kopienanzahl in der Wohnung Frühlingstraße 26 in adressierten Briefumschlägen steckten und BZ sich nicht einmal eine der zahlreichen DVD-Kopien angesehen haben will. Dennoch will sie diese DVDs in erheblicher Anzahl (mindestens 15 Stück) blindlinks verschickt haben.
(2) Parallel dazu ist die Unkenntnis vom Inhalt der DVD durch ihre Mitwirkung daran widerlegt, wie dies bereits OStAin Greger bei der Auswertung des Wetteinsatzes von 200 Videoschnitten angerissen hat. Diese Wette stammte aus dem Jahre 2005. BZ erläuterte den Hintergrund dieser Wette „200 x Videos schneiden“ (BZ-E 1, aaO., S. 47). Es sei darum gegangen, daß der Verlierer hätte „200 Videoclips auf unserem Festplattenrecorder schneiden müssen“. Dies sei so zu verstehen gewesen, daß Werbepausen aus Filmen oder TV-Serien – so wörtlich – „herauszuschneiden“ gewesen wären. 53 BZ hat in ihrer schriftlich verlesenen Einlassung an zwei Stellen ausdrücklich auf „unseren Festplattenrecorder“ bzw. auf Aufnahmen „auf der Festplatte unseres Recorders“ verwiesen (BZ-E 1, aaO., S. 47). Die Erklärung BZs, die sie dafür liefert, ist technisch mit dem im damaligen Haushalt befindlichen DVD-Recorder (Panasonic DMR E-55) nicht möglich gewesen.
(2.1) Die Aussage der Zeugin KOKin Pflug vom 325. HVT (29.11.2016) belegt, daß diese Einlassung BZs zum Komplex der Wette vom 24.11.2005 (Datei wette.cpt) unplausibel ist und der Wetteinsatz von u. a. „200 x Videoclips schneiden“ nicht mit dem Herausschneiden von Teilen aufgenommener TV-Serien auf einer Festplatte eines Recorders erklärt werden kann. Zum einen war es mit den in der Frühlingsstraße aufgefundenen bespielten Medien (DVD-R) technisch nicht möglich, da diese nur einmal beschrieben werden konnten und nachträgliche Änderungen („Schneiden“) unmöglich waren. Außerdem zeigte sich weiter, daß die Signatur auf den aufgefundenen Medien (DVD-R) im Rahmen einer Brennertypbestimmung ergab, daß diese mit einem DVD-Laufwerk des Gerätes o h n e Festplatte (Panasonic DVD-Videorecorder DMR-E55) erstellt worden waren. Die Angaben der Zeugin KOKin Pflug wurden im Detail durch die Bekundungen der Zeugen KOK Huthwelker und EKHK Willkomm am 327. HVT (01.12.2016) zu den von Ihnen jeweils durchgeführten Untersuchungen bestätigt.
(2.2) Entscheidend kommt hinzu, daß der Inhalt der Wette („200 x Videoclips schneiden“) mit dem von BZ belegten Inhalt („Wiederholungen zu Beginn, Werbeeinblendungen, Abspann“ aus einem aufgenommenen Film herauszuschneiden“) nicht mehr vom Wortlaut getragen wird. Bei einem „Videoclip“ handelt es sich umgangssprachlich um eine kurze Filmsequenz. Das „Schneiden“ in diesem Zusammenhang kann nur die Bedeutung haben, eine solche kurze Filmsequenz von einem größeren Filmteil abzutrennen und zu bearbeiten oder wenn eine solche Abtrennung schon vorliegt, diese Filmsequenz weiter zu bearbeiten und abzuspeichern. Das Ergebnis ist immer eine kurze Filmsequenz, also ein Videoclip. Nur dieses Ergebnis wäre auch im Sinne der Wette zählbar gewesen. Auch der BKA-Sachverständige Willkomm bekundete, daß sprachlich ein „Videoclip“ einen kurzen Videoteil darstellt. Das Herauslöschen von nichtbenötigten Teilen aus einem bereits vollständigen Film oder einer Folge einer TV-Serie wird umgangssprachlich als „Werbung löschen“ oder ähnlich benannt. Niemand würde dies als „Videoclip schneiden“ bezeichnen. (2.3) Hinzu kommt das – in der Frühlingstraße 26 aufgefundene – von UM erstellte Schriftstück (Ass. 2.12.20), das zum einen zeigt, daß es sehr einfach ist und nur wenige Schritte notwendig sind, um Videoclips am Computer zu schneiden, selbst ohne vertiefte Kenntnis. Andererseits belegt dieses, daß die Hinweise offenbar für jemanden erstellt wurden, 55 der diese Einzelschritte noch nicht beherrschte und dem damit eine Art Bearbeitungsanleitung gegeben wurde. Die Inaugenscheinnahme und Verlesung des Ass. 2.12.20 erfolgte am 351. HVT (07.03.2017).
(2.4) BZ hat explizit in Bezug auf ihre vorerwähnte verlesene Erklärung vom 09.12.2015 keine Fragen zu dieser Thematik beantwortet (vgl. RA Langer, Frageliste vom 295. HVT, 07.06.2016, S. 5 f. unter 14.) und insbesondere nicht zu den vorgenannten Widersprüchen Stellung genommen. Daraus darf das Gericht die naheliegende Schlußfolgerung ziehen, daß die Wette vom 24.11.2005 sich nicht auf das fernliegende Herausschneiden von Werbung u. a. aus TV-Serien bezog, sondern auf Vor- und Zuarbeiten von Teilabschnitten (Videoclips) für das später erstellte sog. Bekennervideo in der Paulchen-Panther-Fassung.
dd) Im nachfolgenden Beispiel geht es um die letzten Tage des NSU, die Zeit vom 01. bis 04.11.2011. Es soll gezeigt werden, daß BZ jedenfalls einen wesentlichen Sachverhaltsteil verschweigt. Sie bringt nur das vor, was die Faktenlage aus der Anklageschrift, den Akten und dem Stand der Beweisaufnahme bereits ergeben hat. Sie versucht, so gut es geht, sich am Bekannten und Offensichtlichen „entlang zu hangeln“.
(1) BZ hat knapp dargestellt, daß UB/UM am 04.11.2011 – so wörtlich – „überfällig“ gewesen wären, nachdem Sie ein Objekt für einen Raubüberfall auskundschaften und am Dienstag (das war der 01.11.2011) „Geld besorgen“ wollten (BZ-E-1 – 249. HVT, 09.12.2015, S. 36). Dann habe sie über das Radio erfahren, daß in Thüringen ein Wohnmobil entdeckt worden sei, daß gebrannt habe, daß Schüsse gefallen seien und von zwei Leichen im Wohnmobil die Rede gewesen wäre. Ihr sei sofort klar gewesen, daß dies UB/UM gewesen sein müßten. Daraufhin kam es dann zu den Ereignissen um die Explosion in der Frühlingsstraße 26. Am 04.11.2011 hätte sie keinen telefonischen Kontakt mehr zu UB/UM gehabt (BZ-E-2 – 257. HVT, 21.01.2016, S. 18).
(2) Dies soll suggerieren, daß BZ in keine Einzelheiten von UB/UM eingewiesen gewesen sei. Fragen der Nebenklägervertreter beantwortete BZ hierzu nicht (u. a. RA Langer, 295. HVT, 06.07.2016, Frageliste unter A. 11.).
(3) Tatsächlich war BZ bei der Abholung des angemieteten Wohnmobils am 25.10.2011 anwesend (BZ-E 1, aaO., S. 36). Der ursprüngliche Rückgabezeitpunkt des Wohnmobils war laut Vertrag (SAO 47, 279) für den 04.11.2011, 12:00 Uhr, in Schreiersgrün (ca. 40 km von der Frühlingsstraße 26 entfernt) vorgesehen und ihr somit bekannt. Daher ist ihre Einlassung in diesem Punkt schon offensichtlich unvollständig, weil sie scheinbar zu einem Zeitpunkt auf UB/UM gewartet haben will, zu dem der Raubüberfall längst beendet gewesen sein sollte – nach Ihrer Aussage am 01.11.2011 – und zu dem das Wohnmobil schon wieder hätte abgegeben worden sein müssen. Die Zeugin B. Kn. von der Autovermietungsfirma sagte hier am 54. HVT (11.12.2013) aus, daß das Wohnmobil am 03.11.2011 bis zum 07.11.2011 oder auch um eine ganze Woche verlängert wurde (ferner SAO 47, 327). Ich gehe davon aus, daß der Überfall am Freitag, den 04.11.2011, auf die Sparkasse in Eisenach „nur“ ersatzweise erfolgte. Der ursprünglich geplante Überfall sollte am Mittwoch, den 02.11.2011, auf die Sparkasse in Gotha, Humboldtstraße 86, erfolgen. Zu dieser Sparkasse berichtete die Zeugin KOK Buhl am 239. HVT (21.10.2015) über besonders detaillierte Ausspähunterlagen (SAO 250, 16; Ass. 1.4.197.0). Im Wohnmobil wurde eine Quittung vom 02.11.2011, 9:56 Uhr, für den „Kaufland“, Bürgeraue 2 in Gotha (Ass. 1.5.37.2) sichergestellt – dies ist nur ca. 800 m Fußweg von der ausgespähten Sparkasse entfernt. Da UB/UM die Raubüberfälle weitgehend um den Beginn der Öffnungszeiten begingen, gehe ich davon aus, daß hier am 02.11.2011 diese Sparkasse zu Beginn der Öffnungszeiten ausgeraubt werden sollte. Aus unbekannten Gründen ließen UB/UM an diesem Tag von ihrem Vorhaben ab und nahmen von diesem Objekt endgültig Abstand. Sie suchten dann den dicht daneben befindlichen „Kaufland“ auf. Ich gehe ferner davon aus, daß BZ über all diese Umstände unterrichtet war und uns auch erklären könnte, was dazu geführt hat, den Raubüberfall von Gotha auf Eisenach „umzuplanen“. Es ist ja völlig lebensfremd, wenn BZ am Dienstag, den Dienstag, den 01.11.2011, eigentlich einen Banküberfall erwartete (BZ: „Geld besorgen“), dann aber angeblich nichts Konkretes von der Umplanung des Überfallobjekts und der Verlängerung der Mietzeit des Wohnmobils erfahren haben will. Sie soll einfach 3 Tage ohne Nachricht gewartet haben, um dann plötzlich am Freitag, den 04.11.2011, nachmittags „gezielt“ das Radio einzuschalten (BZ-E-2, S. 17), wo ihr sogleich die Nachricht von dem brennenden Wohnmobil entgegen kam. Offensichtlich will BZ den tatsächlichen Zeitpunkt und Nachrichtenweg über die eingetretene Änderung der Planung verbergen, um sich zu UB/UM als außenstehend zu verorten. Ebenfalls will sie nicht offenbaren, auf welchem Weg sie am 04.11.2011 die eingetretene Entdeckung des Wohnmobils in Eisenach und die Mitteilung von UB/UM über das bevorstehende Ende bekommen hat. Denn auch aus der Sicht UBs/UMs scheint es abwegig, daß diese am 04.11.2011 das sichere „Ende des NSU“ erkannten, aber keine Mitteilung an ihre „Zentrale“ in der Frühlingsstraße 26 gemacht haben sollen. Sie konnten nicht davon ausgehen, daß BZ irgendwann einmal das Radio anmacht und dann zufällig eine entsprechende Meldung von dort erhält und diese inhaltlich so klar ist, daß BZ die Ereignisse sofort richtig zuordnen würde. Wo sie ja angeblich nicht einmal gewußt haben will, in welcher Gegend UB/UM genau unterwegs waren. Dies muß insbesondere gelten, da beide – also UB/UM – ja unbedingt sicherstellen wollten, daß ihr Vermächtnis – die in der Frühlingstraße 26 bereitliegenden frankierten und adressierten Briefumschläge mit den sog. Bekenner-DVDs – noch auf den Postweg gebracht werden sollten. Dagegen spricht auch der Zusammenhang zwischen der polizeilichen Entdeckung des brennenden Wohnmobils und der zeitlich zügig nachfolgenden Explosion der Wohnung Frühlingsstraße 26. Für mich stellt es sich so dar, daß BZ die gesamte Zeit vom 01.11.2011 bis zum 04.11.2011 mit UB/UM in Kontakt stand. Sie erfuhr von diesen direkt, daß sich bezüglich des zunächst ins Auge gefaßten Überfalls Zeitpunkt und Geldinstitut geändert hatten, daß UB/UM den Wohnmobilmietvertrag über den 04.11.2011 hinaus verlängert hatten. Schließlich bin ich davon überzeugt, daß UB/UM ihr auch am 04.11.2011 direkt mitteilten, daß deren Ende bevorstünde.
ee) Nun komme ich zu einem letzten Punkt in der Einlassung BZs. Wie schon kurz erwähnt, besteht die Einlassung BZ vorwiegend aus dem „Einräumen“ von Fakten, die offenkundig waren, insbesondere wenn es objektive Beweismittel gab, die einfach nicht wegzureden waren. Indes mag es auch Stellen in Ihrer Aussage geben, die – soweit es wohl ihr aus ihrer eigenen Sicht nicht zu schaden scheint – Erklärungen enthalten, die nicht voll die Linie der Anklage stützen und die – mir jedenfalls – durchaus plausibel erscheinen, wenn externe Fakten hinzugezogen werden. Es geht um das Motiv für die Mordanschläge auf die beiden Polizisten in Heilbronn am 25.04.2007. BZ teilt hierzu knapp mit, UB/UM hätten ihr zum Mord und Mordversuch in Heilbronn gesagt, daß „es ihnen nur um die Pistolen der zwei Polizisten ging“ (BZ-E-1, aaO., S. 33). Die GBA geht in Ihrer Anklage und in ihrem Plädoyer davon aus, daß es hier um einen Angriff auf die Polizei als die verhaßten Repräsentanten des Staates ging. Als Indiz verwies OStAin Greger (377. HVT, 27.07.2017, nachmittags) auf die Hand der Trickfilmfigur des rosaroten Panthers, der im sog. Bekennervideo (Endfassung bei 1:53 min.), die mit einer Pistole auf einen durchs Bild laufenden Polizisten schoß. Davon bin ich nicht überzeugt. Dies ist ein – geschmackloses – Gestaltungselement, kann aber keinen festen Tatentschluß für einen Mordanschlag auf Polizisten belegen, der erst ca. 1 Jahr später erfolgte. Dies kann aber offenbleiben. Denn selbst eine solche unterstellte Planung besagt nicht, aus welcher Motivation ein derartiger Anschlag geplant gewesen wäre. Ein weiteres Indiz soll laut OStAin Greger (377. HVT, aaO.) sein, daß zwei Tatorte der Ceska-Mordserie in Nähe einer Polizeistation lagen und dies den Mitgliedern der türkischen Gemeinschaft die Machtlosigkeit des Staatsapparates aufzeigen sollte. Dies habe – so OStAin Greger – durch die Ermordung von Polizisten selbst noch gesteigert werden sollen. Letzterem Argument folge ich nicht. Die Ermordung von Polizisten durch den NSU mit dem Zweck, die Schutzlosigkeit der türkischen Bürger in diesem Land zu belegen, würde aus der Sicht und Logik der Täter erfolgreich sein, wenn diese Mordanschläge auf Polizisten ebenfalls mit der „bekannten“ Ceska 83 erfolgt wären. Nur dann könnte sich der potentiellen Zielgruppe der Zusammenhang erschießen. Wie sollte denn sonst ein durch die Ceska-Mordserie (die in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund, Kassel stattfand) verängstigter türkischer Mitbürger ein Jahr nach dem letzten Mord in Kassel einen Bezug zur Ermordung bzw. versuchten Ermordung zweier Polizeibeamter in Heilbronn mit zwei völlig anderen Handfeuerwaffen herstellen? Auch bestünde in der Herangehensweise eine deutliche Diskrepanz zur Ceska-Serie: Hier gab es als einzige sog. Tattrophäe in den ersten drei Fällen ein Foto des Opfers kurz nach der Tat, aber sonstige „Beweis bzw. Erinnerungsstücke“ wurden nicht mitgenommen. Eine Ähnlichkeit im Vorgehen wäre aber zu erwarten gewesen, wenn bei der Tötung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe lediglich die Gruppe geändert werden sollte (bisher türkischstämmig aussehende Personen, dann Polizisten). Dagegen spricht auch das hohe Risiko, nach der Tat noch längere Zeit am Tatort zu verbleiben, der nicht – wie bei der Ceska-Mordserie – im Schutze eines Ladengeschäfts bestand, sondern aus einer offenen Fläche, weithin einsehbar. Es mußte insbesondere noch sehr auffällig sein, wenn zwei Zivilpersonen mit ihrem gesamten Oberkörper von außen in einen Polizeiwagen hineinragten. Dieses Risiko geht nur der ein, der genau das haben will, um deren Willen er die Tat beging – die Polizeiwaffe. Wem es darum geht – nach dem gleichen Muster der Ceska-Mordserie – Personen aus einer ausgewählten Personengruppe (hier: Polizisten) zu töten, tut dies und zieht sofort wieder ab. Der bleibt nicht vor Ort und müht sich ab, neben der ersten Pistole – die ja sog. „Beweis“ oder sog. „Tattrophäe“ genug gewesen wäre – auch noch die zweite Waffe mit irrsinniger Kraft und erheblichen zeitlichen Aufwand zu bekommen. Ich erinnere hier an die Aussage des Sachverständigen Dipl.-phys. Merkel vom 77. HVT (22.01.2014), der bekundete, daß das Aufbrechen des Waffengürtels einer Kraft von 49 Kilopond bedurfte. Das entspricht – so der Sachverständige weiter – dem Anheben eines Gewichts von 49 kg. Es wird also klar, was für ein erheblicher Aufwand an Kraft und Zeit betrieben wurde, um auch an die zweite Waffe zu kommen. Das Hauptindiz befindet sich – nach meiner Meinung – aber auf der Festplatte von UM. Dort hat er den vielen Einzelsequenzen (bzw. Clips), die dann zu dem Video zusammengestellt wurden, Namen gegeben, die aus seiner Sicht- und Denkweise passend waren. Bei der rassistischen Ceska-Mordserie nannte er die Clips mit den einzelnen Mordopfern abfällig ali1.avi, ali2.avi, ali3.avi usw. (EKHK Dern, Vermerk: Erkenntnisse zu dem sog. NSU-Video, Anlage 2, SAO 229.1, 58 ff., 75). Konsequent in dieser Denkweise UMs würden die Dateinamen oder -ordner beim Mord an Polizisten zu abfälligen Bezeichnungen führen, die sich auch hier gegen die Opfer richten: etwa bulle1.* und bulle2.* oder so ähnlich. Aber hier heißt der gesamte Ordner für das Material zum Mord in Heilbronn „Aktion Polizeipistole“ (SAO aaO., 60). Dies deutet für mich unverkennbar darauf hin, daß eben die Beschaffung von Polizeipistolen im Mittelpunkt dieser Tat stand und der kaltschnäuzige Mord nur Mittel zum Zweck war, an ebendiese Waffen zu gelangen. Und im Abschlußbild des sog. Bekennervideos sind Bilder von der Trauerfeier der ermordeten Polizistin Michelle Kiesewetter oder vom Tatort nur untergeordnetes Beiwerk im Hintergrund. Im Zentrum des Bildes steht überdimensional ein Foto der „erbeuteten“ Pistole des schwerverletzten Polizisten Martin Arnold. Diese hatte der Ersteller vorher in vielen Varianten fotografiert (Dateiübersicht, SAO 229, 40), bevor er eine Variante davon in das Zentrum des DVD-Abschlußbildes setzte. Zuletzt wird meine Sichtweise auf das Motiv der Waffenbeschaffung nicht dadurch widerlegt, daß der NSU keine Waffen gebraucht hätte, weil er schon so viele gehabt hat. Eben. Von den über 20 Schußwaffen – von denen bei den meisten nach wie vor völlig unklar ist, auf welchem Weg sie zu UB/UM/BZ gelangt sind – ist es a u c h für den übergroßen Teil unklar, welchen Nutzen diese Waffen in dieser Anzahl gehabt haben sollen. Trotzdem sie waren da. UB war ein Waffennarr, haben wir hier des Öfteren in der Beweisaufnahme gehört. Für ihn gab es sicher nicht den Grund, eine Waffe zu benötigen, als Grund reichte aus, sie besitzen zu wollen. Ich gehe davon aus, daß die Vielzahl der Waffen, die am 04.11.2011 und danach im Wohnmobil und in der Frühlingsstraße 26 gefunden wurden, von denen Herkunft und Einsatzzweck unbekannt sind, nicht von den Dreien zufällig am Wegesrand gefunden wurden. Sie mußten sich auch diese konspirativ und unter Umgehung gesetzlicher Verbote beschaffen und dafür sicherlich einen fühlbaren Teil ihrer Raubbeute aufwenden. Auch dafür ist uns bis jetzt kein rationaler Grund erkennbar. Genausowenig wie bei den beiden Polizeipistolen von Michele Kiesewetter und Martin Arnold. In der Sache führt die Annahme der Waffenbeschaffung als Motiv bei diesem Mordanschlag in Heilbronn zu keiner anderen rechtlichen Würdigung. Der Mordanschlag geschah heimtückisch in der Begehungsweise. Er erfolgte gleichzeitig aus niedrigen Beweggründen. Polizisten als Gruppenangehörige (als Repräsentanten des Staates) zu ermorden, ist ebenso verachtenswert, wie deren Ermordung, nur um an die jeweilige Waffe zu kommen. Die Waffenbeschaffung ist ebenfalls ein Delikt, das der gesamten terroristischen Vereinigung zuzurechnen ist, da diese Waffen dem NSU zur Verfügung stehen sollten. Letztlich zeigt aber auch dieses Beispiel zur schriftlichen Aussage BZs, welchen Einsatz der Senat betreiben mußte, um in einem aufwendigen schriftlichen Ping-Pong-Verfahren überhaupt Informationen von ihr zu erhalten. Weiteren erheblichen Aufwand zog es dann nach sich, diese bruchstückhaften Angaben auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.
ff) Zum Schluß wende ich mich kurz persönlich an Sie, Frau Zschäpe.
Sie haben von 1998 bis 2011 mit UB/UM zusammenwohnt und -gelebt. Sie sind die Einzige, die den gesamten Werdegang von sich und UB/UM in dieser Zeit genauestens beschreiben könnte. Nur Sie könnten bislang unbekannte Details zum Leben im Untergrund und zu den in dieser Zeit verübten Verbrechen offenbaren. Dazu würde gehören, daß Sie den Weg der genau abgesteckten, wochenlang vorbereiteten, schriftlichen, von Ihren Anwälten verlesenen Erklärungen verlassen. Sie müßten persönlich und direkt Rede und Antwort stehen und zwar allen Verfahrensbeteiligten gegenüber. Daß dies das einzige aber auch das mindeste ist, was Sie für die Angehörigen der Opfer tun können, wurde bereits mehrfach erwähnt. Kollege RA Scharmer hat Ihnen einen sinnvollen Weg aufgezeigt, auch nach einer zu erwartenden Verurteilung darüber nachzudenken, zukünftig dabei mitzuhelfen, die noch weißen Flecken des gesamten NSUKomplexes vorbehaltlos aufzudecken, soweit Sie Kenntnisse dazu haben und auf diese Weise einen Straferlaß anzustreben. Aber es spricht nichts dagegen, dies hier und jetzt in diesem Prozeß zu tun! Ich halte wenig von den über Sie gemachten vielfältigen Beschreibungen, die hier in Plädoyers oder in der medialen Berichterstattung für Sie verwendet wurden. Ich möchte das alles zusammenfassen, aber in einem ganz neutralen Ausdruck, der Sie meines Erachtens vollständig charakterisiert: Frau Zschäpe, Sie sind eine sehr starke Person. Sie machen genau das, was Sie wollen, Sie lassen sich nichts vormachen, Sie sind kein Blättchen im Winde, das andere hin- und her pusten. Das war auch in der Zeit des Untergrunds von 1998 bis 2011 so. Das glaube ich deshalb, weil hier nur eine ganz starke Person, die sich seit über 6 Jahren in Untersuchungshaft befindet, nunmehr 400 HTV mit disziplinierter Fassade aushält. Eine Person, die weiß, daß am Ende eines jeden HVTs alle am Verfahren Beteiligten wieder in ihr normales Leben zurückkehren, ja die ein Leben jenseits des Prozesses haben. Selbst im Unterschied zu den anderen beiden Haftfällen, RW und AE, warten auf jene immerhin Familien, Kinder, von denen sie besucht werden. Sie hingegen haben nichts als den Trott der Wiederkehr der nächsten HVTe. Und danach als Perspektive eine lange, sehr lange Zeit ohne Freiheit. Ich brauche daher auch nicht das Beispiel Ihres Streits mit Ihren ersteren Verteidigern, um zu sehen, mit welcher zielgerichteten Vehemenz Sie sich durchsetzen können. Aber eine starke Person bedeutet lediglich Kraft und Wille. Das entscheidende, damit eine starke Person auch eine starke Persönlichkeit wird, ist das Vorhandensein einer Seele! Ohne Seele werden Kraft und Wille zum Selbstzweck. Frau Zschäpe, bedenken Sie: Das Gericht schließt aus dieser Kraft und aus dieser Willensstärke möglicherweise auf eine besondere Gefährlichkeit Ihrer Person. Und Sie geben den Mitgliedern des Senats keine Chance, irgendetwas Authentisches hinter ihrer Fassade zu erkennen. Um dem Gericht und den Nebenklägern zu zeigen, daß sie eine Seele haben, daß Sie ansatzweise versuchen wollen, das Leid der Opfer und der Angehörigen zu begreifen, müßten Sie sich vorbehaltlos zu ihrer Rolle in Ihrem früheren Leben bekennen, offen und nachvollziehbar darüber berichten, zeigen, wie Sie heute darüber denken. Dafür bedarf es keiner anwaltlichen Strategie oder taktisch abgezirkelter – hastig verlesener – Erklärungen. Zumal Sie selbst ahnen dürften: Die Zeit der anwaltlichen Strategie und Taktik ist in Ihrem Fall vorbei. Mit Ihren ersteren drei Verteidigern haben Sie eine Schweigestrategie betrieben, die möglicherweise objektiv von der damaligen Situation her gesehen sinnvoll gewesen sein mag. Das kann ich nicht beurteilen, weil mir dazu das Wissen fehlt, das Sie diesen Verteidigern mitgeteilt haben. Weiter sehe ich, daß sie Ihre Situation mit ihren neuen Verteidigern und dem Wechsel in der Strategie keineswegs verbessert haben: Reden, ohne etwas zu sagen, ohne etwas aufzuklären. Gedrechselte Aussagen um das herum, was bereits offen zutage lag. Das Abschieben der alleinigen Verantwortung auf die, die nicht mehr widersprechen können. Und das Schlüpfen in eine bequeme Opferrolle. Objektiv haben Sie dem Gericht und der GBA die Beweisführung in einem erheblichen Umfang – wenn auch zu einem sehr späten Verfahrenszeitpunkt – erleichtert, indem Sie die Taten als solche – von UB/UM begangen – einräumten. Nur ist dadurch nicht der üblicherweise anfallende „Geständnis-Rabatteffekt“ eingetreten, weil Sie ihre Rolle konsequent verharmlosen und eine mittäterschaftliche Verantwortung an den gegen Sie angeklagten Taten in Abrede stellen. Die umfangreiche Beweisaufnahme hat das Gegenteil erbracht, Ihre Rolle im Verbund mit UB/UM genau belegt. Wohin also hat Sie nun ihre bisherige Gesamtstrategie in diesem Verfahren gebracht? Dahin, daß die GBA das maximale Programm gegen Sie beantragt hat. Das Strafgesetzbuch dieses Landes hat nicht mehr zu bieten: Lebenslang, besondere Schwere der Schuld, Sicherheitsverwahrung. Es ist naheliegend, daß das Gericht dem folgen wird. Zur erstgewählten Schweigestrategie können Sie auch nicht mehr zurück. Sie sind nun an dem Punkt, an dem Ihnen kein Anwalt mehr helfen kann! Sie können sich nur noch selbst helfen. Der bedeutende russische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, beschrieb in einem seiner Romane ganz treffend:
„Ein Advokat ist ein gemietetes Gewissen.“
Frau Zschäpe, haben Sie den Mut, den Ihre Situation jetzt gebietet: Brechen Sie alle strategischen und taktischen Brücken hinter sich ab. Begeben Sie sich auf den Weg der Einsicht und erkennen Sie: Ihr Leben ist nicht am 04.11.2011 zum Alptraum geworden, sondern an diesem Tag endete der Alptraum für Sie. Nutzen Sie das einzige Ihnen noch verbleibende wirksame prozessuale Gestaltungsmittel: Sagen Sie umfassend und wahrheitsgemäß aus.