„Ihr entsetzt euch darüber, daß wir das Privateigentum aufheben wollen. Aber in eurer bestehenden Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel ihrer Mitglieder aufgehoben, es existiert gerade dadurch, daß es für neun Zehntel nicht existiert. Ihr werft uns also vor, daß wir ein Eigentum aufheben wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheuren Mehrzahl der Gesellschaft als notwendige Bedingung voraussetzt. Ihr werft uns mit einem Worte vor, daß wir euer Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen wir. …..
Man hat eingewendet, mit der Aufhebung des Privateigentums werde alle Tätigkeit aufhören, und eine allgemeine Faulheit einreißen. Hiernach müßte die bürgerliche Gesellschaft längst an der Trägheit zugrunde gegangen sein; denn die in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht.
(Karl Marx/Friedrich Engels – Manifest der Kommunistischen Partei, 1848)
Mit dem Volksbegehren in Berlin ist die Diskussion um Enteignung und Vergesellschaftung eröffnet. Die Heftigkeit der Diskussion zeigt, es geht um einen neuralgischen Punkt.
Laut FAZ sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann:
„Die gesetzgeberische Option der Verstaatlichung ist der Blinddarm des Grundgesetzes: zwar enthalten, aber nutzlos und im Zweifel ein Entzündungsherd, der Schaden anrichtet“,
Sein Parteikollege FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte dem „Handelsblatt“:
„Eine Streichung des Artikel 15 GG würde die Achtung des Gesetzgebers vor dem Eigentum dokumentieren.“
Enteignungen für Profite
Aber wie weit ist es eigentlich her mit dem Respekt vor dem Eigentum? Art. 15, um den jetzt die Diskussion geführt wird, lautet:
„1Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. 2Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“
Enteignungen sind allerdings auch in Art. 14 Abs. 3 GG geregelt. Art. 14 schützt grundsätzlich das Eigentum Art. 14 Abs. 3 ermöglicht Enteignungen:
„(1) 1Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. 2Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) 1Eigentum verpflichtet. 2Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) 1Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. 2Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. 3Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. 4Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.“
Warum aber soll „aus Respekt vor dem Eigentum“ Art 14 GG nicht geändert werden? Dazu genügt ein Blick in die Datenbank juris, die allein vom Bundesverfassungsgericht mehr als 100 Entscheidungen nachweist, bei denen in den meisten Fällen Enteignungen gebilligt wurden. Und dabei ging es dann z.B. um:
- Ethylen Rohrleitung in Baden-Württemberg (1 BvR 2297/10)
- Kohlenmonoxid Rohrleitung von Dormagen nach Krefeld (1 BvL 10/14)
- Garzweiler II (1 BvR 3139/08)
- Verlängerung einer Startbahn in Hamburg für Airbus (1 BvR 3078/07)
Natürlich treffen diese Enteignungen auf den Beifall bei den Rittern der Verteidigung des Privateigentums, wahrscheinlich werden sie in diesen Fällen sogar unnötige und überflüssige Hemmnisse beklagen und den Bürokratieabbau fordern, spricht die Möglichkeit in solchen Fällen rascher Enteignungen vorzunehmen.
Wohnungskonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia
sind überflüssig und schädlich
Besonders dumm ist das Argument, dass eine Enteignung von Wohnungskonzernen wie Deutsche wohnen oder Vonovia nicht dazu führen würde das eine einzige Wohnung mehr gebaut würde. Das trifft natürlich zu, aber die Wohnungen könnten preiswerter und nach Bedarf vermietet werden.
Vonovia soll im Jahre 2018 einen Gewinn von 1 Milliarde € gemacht haben bei einem Wohnungsbestand von knapp 400.000 Einheiten. Das ergäbe pro Wohnung (zugegebenermaßen jetzt recht grob gerechnet) einen Betrag von 2.500,00 pro Jahr oder mehr als 200,00 € pro Monat. Da könnte man also die Mieten um diesen Betrag völlig unproblematisch ändern, da kein einziger Euro des Gewinnes reinvestiert wird. Man könnte die Mieten deutlich reduzieren und trotzdem noch ein Polster für Instandsetzungen zurücklegen.
Natürlich muss man sich auch keine Gedanken darüber machen, dass durch eine solche Enteignung der Elan beim Wohnungsbau gebremst und mögliche Investoren abgeschreckt würden. Vonovia oder auch Deutsche Wohnen haben noch keine einzige Wohnung selbst gebaut. Als Aktiengesellschaft sammeln sie ausschließlich Geld von Anlegern ein, die gerade nicht in Wohnungsbau investieren wollen sondern die am vorhandenen Wohnungbestand partizipieren wollen und durch Mieten und insbesondere deren Erhöhung Dividende erzielen. Es gibt keine irgendwie geartete nützliche Funktion die die Wohnungskonzerne ausfüllen außer einer Bereicherung von ohnehin bereits reichen Anlegern.
Juristische Bedenken? – Entschädigungen?
Auch ernsthafte juristische Gutachten halten die Enteignung für möglich, wie man bei LTO nachlesen kann, man findet dort auch den Link auf das Gutachten von Rechtsanwalt Geulen.
Aber die Wohnungsunternehmen müssten doch entschädigt werden und woher soll das Geld kommen? Dann wird noch – wie z.B. bei Maischberger – mitgeteilt, dass die Wohnungen, die der Senat von Berlin für ca. 440 Millionen € verkauft hat, nunmehr 5-7 Milliarden € wert wären. Dabei wird so getan, als müsste dann auch dieser Betrag als Entschädigung gezahlt werden. Tatsächlich ist allerdings nur eine angemessene Entschädigung zu zahlen und es spräche eigentlich nichts dagegen, das diese auf den Kaufpreis zuzüglich eventuell erfolgter Investitionen (gehen wohl eher gegen Null) abzüglich zwischenzeitlicher Abschreibungen zu bemessen ist.
Die Dreistigkeit der Wohnungskonzerne mit ihren möglichen Entschädigungsforderungen wird besonders deutlich wenn man sich die steuerliche Situation ansieht. Immobilien sind als Geldanlage deswegen besonders verlockend, weil sie eine höchst wundersame Fähigkeit haben. Obwohl sie – zumindest in den hier interessierenden Ballungsgebieten – permanent an Wert zunehmen, können Sie trotzdem abgeschrieben werden, d. h. ein rein fiktiver Wertverlust kann als Betriebsausgabe behandelt werden. Ginge man also von der öffentlichen Erklärung von 440 Millionen € für die Wohnungen in Berlin aus, und einem Gebäudeanteil von 80 % (nur der Gebäudeanteil kann abgeschrieben werden, Grund und Boden nicht) so können also von 352 Millionen Euro jedes Jahr 2 % gleich 7,1 Millionen € abgeschrieben werden. Es wäre aber für den Fall der Entschädigung kein vernünftiger Grund ersichtlich warum der Buchwert der über Jahre hinweg steuerlich zu Grunde gelegt wurde nun nicht auch bei der Abfindungszahlung berücksichtigt werden sollte.
Man könnte die Angelegenheit steuerlich natürlich auch ganz anders regeln. Aktiengesellschaften und GmbHs müssen jedes Jahr Bilanzen erstellen, der zu versteuernde Gewinn ermittelt sich keineswegs nur nach dem Überschuss von Einnahmen minus Ausgaben, vielmehr werden in die Bilanz auch die vorhandenen Werte eingestellt und der Gewinn ermittelt sich aus der Differenz zwischen den Werten am Jahresanfang und Ende. Hätte man nun Jahr für Jahr nicht den durch Abschreibung geminderten Buchwert in die Bilanzen eingestellt sondern stattdessen jeweils den realen Wert, den die Unternehmen jetzt für Ihre Abfindung reklamieren so wäre die Wertsteigerung der Immobilien auch schon Jahr für Jahr zu versteuern gewesen da wäre dann noch einiges in der Staatskasse angekommen, wovon man auch die eine oder andere preisgünstige Wohnung hätte bauen können.
Eberhard Reinecke