Der 01.10.2013 war ein hoch emotionaler und hoch interessanter Verhandlungstag. Über die Zeugenaussage des Herrn Yozgat sowie des ehemaligen Verfassungsschutzbeamten ist in der Presse ausführlich berichtet worden. Untergegangen dabei sind allerdings andere, durchaus wichtige Aspekte dieses Tages:
Frau Rechtsanwältin Schneider, Verteidigerin des Angeklagten Wohlleben, die nicht gerne „Nazi-Anwältin“ genannt wird, über die aber laut Stern.de umfangreiche Erkenntnisse beim Verfassungsschutz vorliegen, ließ sich vertreten. Als Vertreter hatte sie Herrn Rechtsanwalt Wolfram Nahrath benannt, NPD-Mitglied und bekennender Rechtsradikaler. Bekanntlich hatte die Verteidigung des Herrn Wohlleben bereits am ersten Verhandlungstag einen Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden gestellt, weil dieser sich geweigert hatte, auch Herrn Wohlleben einen dritten Verteidiger zu stellen. Herr Rechtsanwalt Nahrath war derjenige, der als dritter Verteidiger vorgesehen war. Auf der rechtsextremen Seite „Der Bewegungsmelder“ wird Herr Nahrath wie folgt gelobt:
„Als weiteren Redner können wir Rechtsanwalt Wolfram Nahrath begrüßen, der Vorsitzender der 1994 verbotenen Wiking-Jugend war, welche zuvor durch seinen Vater Wolfgang Nahrath geführt wurde. Nahrath, der Mitglied in der NPD ist, ist durch seine brillianten Reden bekannt und darüber hinaus als Anwalt in vielen Prozessen gegen Nationale Aktivisten.“
Eine Zeitlang verteidigte er den Holocaust-Leugner Williamson, wie er auch in Verbotsverfahren gegen den „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ tätig war.
Gezielte Provokation?
Ob des Erscheinen des Herrn Nahrath eine gezielte Provokation der Verteidigung Wohlleben gegenüber dem zu erwartenden sehr emotionalen Auftritt des Herrn Yozgat war, wissen wir nicht. Immerhin hatten Schneiders und Klenke in ihrem Einstellungsantrag zu Beginn des Verfahrens auch gerügt, dass Kassel einen Halitplatz erhält. Natürlich könnte es auch Parteidisziplin für ein gezieltes Manöver der NPD sein, die sich über Ihren „Staranwalt“ in die Vernehmung von Verfassungsschutzbeamten einschalten will. In rechten Kreisen kursiert bekanntlich die Idee, die NSU-Zelle sei eine „Erfindung der Geheimdienste“ gewesen, um der Neonaziszene empfindlich zu schaden. Wir sind also gespannt, bei welchen anderen Gelegenheiten sich Frau Schneiders von Herrn Nahrath vertreten lässt.
Dass Herr Nahrath Frau Zschäpe mit Handschlag begrüßte, war nicht besonders überraschend. Dass allerdings auch Frau Rechtsanwältin Sturm ihrem Kollegen freundschaftlich die Hand drückte, ist dann doch schon bemerkenswert. Wir hatten immer darauf hingewiesen, dass die Übernahme einer solchen Verteidigung einer schiefen Ebene gleicht und dass notwendig ein Verständnis für die jeweilige Mandantschaft erforderlich ist. Eigentlich erfordert die Verteidigung, die Frau Sturm angeblich führt, kein kollegiales Verhältnis zu einem NPD-Anwalt. Das Verständnis für die Mandantin führt dann aber zu solchen Gesten gegenüber Verteidigern wie Narath.
Verteidigung von Freiheitsrechten
Am Abend des 01.10.2013 fand dann von der Bayerischen Strafverteidigervereinigung eine Podiumsdiskussion zum Thema „Selbstverständnis des Strafverteidigers/Nebenklagevertreters am Beispiel des aktuellen NSU-Verfahrens“ statt. Hier saß Frau Sturm auf dem Podium und erklärte ihre Verteidigungstätigkeit für Frau Zschäpe damit, dass sie damit die Freiheitsrechte (im allgemeinen) verteidige. Auf der Anklagebank sitzt aber nach unserer Beobachtung Frau Zschäpe und nicht „Freiheitsrechte“. Bei der Verteidigung von „Freiheitsrechten“ kann sicherlich Herr Narath Frau Sturm noch Hinweise geben. So tritt er nicht nur dafür ein, dass das Leugnen des Holocaust straffrei bleibt, sondern auch für die Freiheit von Horst Mahler, oder für die Rücknahme von Organisationsverboten wie in diesem Jahr am 1.9. in Dortmund. Bei Eintreten für soviel Freiheit, ist es sicherlich nur ein kleiner Wermutstropfen, wenn dann aus rechtsradikalen Kreise die „Todesstrafe für Kinderschänder“ gefordert wird.
Eberhard Reinecke