Die von mir hoch geschätzte Organisation NSU Watch berichtet davon, dass der bayerische Untersuchungsausschuss zum NSU beschlossen hat, Beate Zschäpe als Zeugin zu laden. Dies verbindet NSU Watch mit massiver Kritik an diesen Beschluss auf Twitter:
Ich meine, dass die Sache nicht so einfach ist. Natürlich wäre es eine Verhöhnung von Opfern, wenn es Zschäpe tatsächlich wagt, ihre Einlassung aus dem Strafverfahren zu wiederholen. Das allerdings wäre für sie mit erheblichen Konsequenzen verbunden. Die Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss sind strafbewehrt, d. h. unwahre Angaben können zu einer Bestrafung führen, im Fall von Frau Zschäpe auch zu einer Verlängerung ihrer Mindestverbüßungszeit.
Man kann es drehen und wenden wie man will, es steht nicht zu erwarten, dass aus dem engeren Umfeld des NSU freiwillig weitere Angaben erfolgen, da all diese Personen dann mit erheblichen Strafen rechnen müssen. Zschäpe könnte tatsächlich aufklären. Schon im NSU Verfahren selbst hatten die Vertreter der Nebenklage Hunderte von Fragen an Frau Zschäpe formuliert, die diese nicht beantwortet hat. Rechtsanwalt Scharmer hat in seinem Plädoyer ausgeführt:
Frau Zschäpe, wenn Sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und alle zu benennen, die hier auf der Anklagebank fehlen, wird sich Gamze Kubaşık an ihr heute abgegebenes, mehr als großzügiges Versprechen halten und sich persönlich bei dem Gericht, was über die Länge Ihrer Mindestverbüßungsdauer entscheidet, dafür einsetzen, dass die spätere Aufklärung der Taten ausreichend honoriert wird.
Dieses Angebot wird mit Sicherheit von einer Vielzahl von Nebenkläger*innen unterstützt. Wir wissen nicht, ob Frau Zschäpe nach mehr als elf Jahren Haft bereits mitbekommen hat, dass es ein Unterschied ist, ob sie 20, 25 oder 30 Jahre in Haft sitzen wird. Ich meine, dass all dies ein Testballon wert ist, um einschätzen zu können, ob Frau Zschäpe sich entwickelt hat.
Der Ablauf der Vernehmung ist absehbar. Zschäpe wird versuchen, mit allen Mitteln ein Aussageverweigerungsrecht zu konstruieren, was allerdings sicherlich nicht einfach sein wird. Hat sie kein Aussageverweigerungsrecht, wird sich zeigen, ob sie noch so tief in der rechten Szene steckt, dass sie trotzdem nicht aussagt, sondern Beugehaft (bis zu 6 Monaten) in Kauf nimmt.
Sagt sie aber aus, so müssen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses vernünftig vorbereitet sein. Es geht natürlich darum, was Zschäpe vor den jeweiligen Morden wusste. Das OLG München hat in seinem Urteil festgestellt, dass Zschäpe in vollem Umfang in die Planung eingeweiht war. Würde sie erneut behaupten, von den Plänen nichts gewusst zu haben, wäre das sofort als Falschaussage zu verfolgen mit einer entsprechenden Verlängerung der Mindestverbüßungszeit.
So oder so wird der Termin für Frau Zschäpe also sehr ungemütlich werden. Ich meine, man sollte ihr das nicht ersparen.
Eberhard Reinecke