Nur eines hilft wirksam: Verbot der Nebentätigkeit von Abgeordneten
Das wäre einmal eine schöne 3-Satz Aufgabe für die Unterstufe: 0 Abgeordnete aus Bundestag und Länderparlamenten wurden zu einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren verurteilt. Wie viele Abgeordnete werden jetzt zu einer Freiheitsstrafe zwischen 1 und 10 Jahren verurteilt? Wahrscheinlich könnte man sogar lebenslänglich für Abgeordnetenbestechung einführen, weil es kaum Delikte gibt, derentwegen weniger verurteilt wird.
Die Datenbank juris weist lediglich neun Gerichtsentscheidungen zu § 108e StGB aus. Die letzte vom BGH aus dem Jahre 2015. Dafür gibt es aber 197 Nachweise für Zeitschriftenartikel (Gerne diskutieren Juristen akademisch über praktisch irrelevante Themen). Soweit es überhaupt zu Verurteilungen gekommen ist, betreffen diese Mitglieder von Kommunalparlamenten, da die Ratsmitglieder – viel mehr als Abgeordnete in Landtagen und Bundestag – Entscheidungen über konkrete Projekte treffen. So auch die letzte Entscheidung des BGH (Presseerklärung und Urteil).
Ich hatte einmal im Jahre 2007 zu den typischen Tatbeständen in Korruptionsverfahren einen Artikel geschrieben und die damalige Fassung des § 108e StGB als „Horneberger Schießen“ bezeichnet. Daran hat sich trotz der angeblichen Verschärfung im Jahre 2014 nichts geändert, wobei die Änderung im Jahre 2014 eine Umsetzung von Forderungen des Europarates gegen Korruption sowie der entsprechenden UN Konvention sein sollte, die die Bundesrepublik allerdings schon 2003 unterschrieben hatte. (Also eine richtig flotte Umsetzung der eingegangenen Verpflichtung). Auch bei der angeblichen Verschärfung im Jahre 2014 wurde viel Wert darauf gelegt, den Paragraphen zu gestalten, dass eigentlich kein Abgeordneter so dumm sein kann, dass man ihn wegen § 108e die verurteilen kann.
Was wollte der Gesetzgeber (d.h. die möglicherweise von dem Paragrafen Betroffenen) mit diesem Gesetz (nicht) erreichen?
Dazu nur einige Zitate (teilweise wörtlich, teilweise zusammengefasst) aus dem Standartkommentar zum StGB (Fischer):
„Die Neuregelung zeigt vielmehr eine Vielzahl gravierender Lücken, die im Wesentlichen darauf beruhen, dass der Gesetzgeber ersichtlich von der Sorge erfüllt war, politische Tätigkeiten auf keinen Fall in die Nähe der Korruptionsvorschrift zu bringen.“
Anders als bei den Tatbeständen der Vorteilsannahme und Bestechung ist die Annahme eines Vorteils durch den Abgeordneten für sich nicht strafbar sondern nur bei „ungerechtfertigten“ Vorteilen. Soll bei dem normalen Beamten schon der „böse Anschein“ vermieden werden, so gilt dies für die Abgeordneten nicht (vielleicht weil der „böse Anschein“ ohnehin existiert).
„Tätigkeiten außerhalb der durch das Mandat begründeten Zuständigkeit sollen nicht erfasst werden, das soll dann gegeben sein, wenn nur die Autorität des Mandates oder Kontakte des Mandatsträgers genutzt werden, um eine Entscheidung oder einen Vorgang zu beeinflussen.“
„Ein Mandatsträger, der (von sich aus) einem Interessenvertreter anbietet, gegen Zahlung von Schmiergeld bei einer bevorstehenden Abstimmung in seinem Sinn zu stimmen, verlangt und erhält weder Auftrag noch Weisung; – in deshalb ist auch nicht strafbar“. Ebenso wenig wie allgemeine korruptiv ausgerichtete „Stimmungspflege“.
„Ebenfalls nicht erfasst sind Belohnungen, also Zuwendungen für mandatsbezogene Handlungen, die bereits vollzogen wurden (verniedlichend ‚Dankeschön-Vorteile‘ genannt)“.
Erforderlich ist weiter eine Unrechtmäßigkeit des Vorteils weil „ ‚keineswegs anerkannte Verhaltensweisen im politischen Raum mit Strafe bedroht werden dürfen‘“
Dementsprechend soll der Vorteil stets gerechtfertigt sein, wenn er in Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitgliedes maßgeblichen Regelungen steht. Wo sich Gepflogenheiten und Regeln unterscheiden ist unklar, damit werden nirgends definierte Gepflogenheiten über Rechtsregeln gestellt.
Ausdrücklich schließt § 108e die Bestrafung im Zusammenhang mit Erreichen des politischen Mandates aus: Ein Mandatsträger, „der sich mit einem Dritten darauf einigt, er werde auf dessen Weisung oder in dessen Auftrag für oder gegen ein bestimmtes Projekt oder Gesetz stimmen, wenn er dafür einen sicheren Listenplatz, eine Stelle als politischer Beamter oder eine herausgehobene Funktion in der Fraktion erhalte, macht sich nicht nach § 108e strafbar.“
Kein unrechtmäßiger Vorteil ist auch eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Vorschriften zulässige Spende. „Damit ist klargestellt, dass die allgemein zulässigen Partei- und Individualspenden auch nicht dadurch ungerechtfertigt im Sinne von § 108e werden, dass sie in einer ausdrücklich korruptiven Unrechtsvereinbarung als Gegenleistung für politische Geneigtheit, für das ‚offene Ohr‘ eines Mandatsträgers und seiner Aufgeschlossenheit für die Wünsche und Ziele des Spenders vereinbart werden“.
Wie wäre es mit etwas Wirksamen?
Natürlich haben die Maskenprofiteure und ähnliche jetzt ins Gerede gekommene Abgeordnete sich nicht wegen Abgeordnetenbestechung strafbar gemacht, da sie gerade keine typische Abgeordnetenentscheidung getroffen haben, sondern im Rahmen ihrer Nebentätigkeit die Provisionen abgegriffen haben. Ob sie dabei eine „normale“ Bestechung und/oder Steuerhinterziehung begangen haben, mag die Staatsanwaltschaft aufgeklären.
Das ganze Gepolter um die Verschärfung der Strafhöhe (der Tatbestand selbst soll gerade nicht geändert werden) eines Paragrafen , der sowieso nicht zur Anwendung kommt, soll natürlich vom Kern des Problems ablenken, nämlich den Nebentätigkeiten und Nebeneinkommen selbst. Der einzelne Abgeordnete erhält ein monatliches Bruttoeinkommen von über 10.000 €, darüber hinaus eine monatliche steuerfreie Aufwandspauschale von ca. 4400 € (diese 52.000 € im Jahr entsprechen steuerlich dem Arbeitnehmerpauschbetrag von 1000 €). Hinzu kommen weitere Vorteile wie Freifahrten bei der Bahn, die einer BahnCard 100 für die erste Klasse (6.800,00€) entsprechen. Weiteres kann man hier nachlesen. Wenn es um die Diäten und die Diätenerhöhung geht, wird von interessierter Seite gerne behauptet, dass die Abgeordneten ausreichend verdienen müssten, weil sie eine Ganztagsbeschäftigung ausüben (gerne darf es dann in den öffentlichen Erklärungen auch etwas mehr sein, z.B. 60-80 Std-Woche) und Sie müssten auch wirtschaftlich unabhängig sein. Nach der Einkommensverteilung in Deutschland verdienen die oberen 10 % mindestens 5800,00€ brutto im Monat, das obere 1% 18.500,00 €. Man kann also ohne weiteres davon ausgehen, dass mindestens 95 – 97% der Bevölkerung weniger verdienen als die Abgeordneten.
Wer für eine Ganztagstätigkeit bezahlt wird, kann keine Nebentätigkeiten mehr ausüben. Und wenn dann gejammert wird, dass unter solchen Umständen es nicht möglich wäre, auch solche hervorragenden Raffkes für den Bundestag zu gewinnen, die sich gerade durch die sogenannte „unternehmerische Initiative“ auszeichnen, so ist das eigentlich nicht schade. Millionen von Menschen in diesem Lande sind aufopfernd ehrenamtlich tätig, und da soll es nicht 600-750 Personen geben, die auch ohne jedes Zubrot einfach mit den Diäten zufrieden sind und für ihre Überzeugung Politik machen?
Es wäre doch ganz einfach: Man verbietet den Abgeordneten jegliche Nebentätigkeit, mindestens aber müsste diese genehmigt werden und natürlich der dortige Verdienst zumindest zum größeren Teil auf die Diäten angerechnet werden. Da die Diäten für einen Fulltimejob gezahlt werden, kann die Nebentätigkeit nur von dieser dem Parlament geschuldeten Arbeitszeit abgehen. Geradezu lächerlich ist der Vorschlag der CDU, alle Abgeordneten sollen Nebeneinkünfte ab 100.000,00€ pro Jahr offen legen.
Der meiste Teil der Probleme würde durch ein solches Verbot gelöst, man braucht weder eine Verschärfung eines Wasserschlagparagrafen, noch irgendwelche Verhaltenskodizes. Man braucht dann noch die vollständige Transparenz der Lobbytätigkeit und eine möglichst lange Karenzzeit zwischen der Beendigung der Tätigkeit als Abgeordneter oder Minister und der Aufnahme einer Tätigkeit in der sogenannten „freien“ Wirtschaft.
Eberhard Reinecke