Plädoyer: Die Tatbekennungen des NSU

(Im Plädoyer haben wir wiederholt auf die von uns im Juli 2016 an die Angeklagte gestellten Fragen Bezug genommen. Vollständig finden Sie diese Fragen hier.)

Im letzten Teil des Plädoyers möchte ich mich den Tatbekennungen des NSU widmen. Im NDR Film „Die Nazi-Morde“ sagt Semiya Simsek zu den neun Morden mit derselben Pistole und zu der Behauptung, dass es keine Tatbekennungen gegeben habe:

„Es waren neun Opfer mit Migrationshintergrund, das ist doch schon mal eine Botschaft; und es war am Arbeitsort von denen, das ist doch auch schon mal eine Botschaft, und es gibt keinerlei Verbindung zwischen den Familien, das ist auch schon einmal eine Botschaft.“

Bei den Tatbekennungen des NSU sind drei Sichtweisen zu unterscheiden. Die Sichtweise des NSU selbst und seine Pläne auf der einen Seite und die Wirkung auf migrantische Kreise wie auch die Wirkung auf die staatlichen Behörden. Nach meiner Auffassung hatte der NSU ursprünglich durchaus Tatbekennungen vorgesehen, später hat er sich dann durch die Taten selbst bekannt, wobei spätestens nach dem Anschlag in der Keupstraße sicherlich auch die Verunsicherung durch die falschen Ermittlungen der Sicherheitsbehörde Teil der Pläne des NSU wurden.

Die Bundesanwaltschaft trennt diese Gesichtspunkte überhaupt nicht hinreichend, sondern versucht, das Versagen der Ermittlungsbehörden zumindest teilweise auf eine gezielte Strategie des NSU zurückzuführen. Das ist eindeutig falsch. Frau Oberstaatsanwältin Greger hat in ihrem Plädoyer bezogen auf die Mordtaten und die Sprengstoffanschläge Folgendes ausgeführt:

„In beiden Fällen sollte zunächst keine Bekennung zu den einzelnen Taten erfolgen. Dadurch sollten die Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund massiv verunsichert werden. Bürger, die nach ihrem Verständnis nicht der deutschen Nation angehörten, sollten das Vertrauen zum Staat und in die Polizei verlieren und zum Wegzug veranlasst werden. Innerhalb der betroffenen Bevölkerungsteile sollte sich Misstrauen ausbreiten. Die wahren Hintergründe sollten erst im Bekennervideo dargelegt werden.“

Wie ich noch zeigen werde, trifft es so nicht zu, dass keine Bekennung erfolgen sollte. Ohne Bekanntwerden, dass die Straftaten einen ausländerfeindlichen und rechtsradikalen Hintergrund hatten, war eine massive Verunsicherung nicht möglich, wenn auch zuzugeben ist, dass in der migrantischen Bevölkerung sehr viel früher eine Ahnung von den Hintergründen der Mord- und Sprengstoffserie bestand als bei der Polizei. Die Polizei zumindest hat die Serie bis zum 04.11.2011 nie so verstanden, mir ist keine öffentliche polizeiliche Analyse bekannt, in der das Ziel der Mord- und Sprengstofftaten dahin umrissen wurde, dass „Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund massiv verunsichert werden sollen“. Auch Herr Oberstaatsanwalt Weingarten kaschiert die Ermittlungsfehler der Polizei, wenn er in seinem Plädoyer Folgendes ausführt:

„Denn gerade die Verwendung eines Schalldämpfers erlaubte aus Täterseite einerseits eine zunächst unbemerkte, akustisch weitgehend unauffällige Tötung und war zugleich zur Minimierung des Fahndungsdrucks geeignet, denn die Eigenheiten des verwendeten Schalldämpfers, bei dem es sich um ein geradezu klischeehaftes Instrument eines Profikillers handelt, war zudem geeignet, die Fahndungsrichtung der Strafverfolgungsbehörden in die organisierte Allgemeinkriminalität und damit weit weg vom NSU zu lenken.“

Was das tatsächlich genau heißen soll, weiß man nicht. Dass die Polizei auf ein „Klischeehaftes Instrument eines Profikillers“ hereinfällt, dürfte eigentlich nicht sein, vor allen Dingen nicht, wenn man gleichzeitig davon ausgeht, dass Angst und Schrecken unter in Deutschland lebenden Migranten verbreitet werden soll. Warum der Schalldämpfer geeignet war, die Fahndungsrichtung der Strafverfolgungsbehörden in die organisierte Allgemeinkriminalität zu lenken, hat Herr Oberstaatsanwalt Weingarten nicht begründet. Es ist auch nicht zu begründen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen doch eigentlich wissen, dass es kein reales Beispiel für so einen Profikiller gab und gibt. Für einen Profikiller gehört es zum Berufsrisiko erwischt zu werden, er wird nicht darauf erpicht sein, dass man ihm dann nicht nur einen, sondern gleich 9 Morde nachweisen kann. Es ist festzuhalten, dass die Polizei zu keinem Zeitpunkt vor ein- und demselben Profikiller gewarnt hat, die Polizei hätte dadurch nicht in die Irre geleitet werden können. Es war allerdings so, dass innerhalb der migrantischen Kreise – wie z.B. die von den Familien Yozgat und Kubasik organisierten Demonstrationen „kein zehntes Opfer“ belegen- sehr viel früher eine Ahnung von der tatsächlichen Intention der Täter bestand als bei den Sicherheitsbehörden. Gegen die Darstellung von OStA Weingarten spricht im Übrigen auch, was der Profiler  und Berater der BAO Bosporus Alexander Horn kürzlich in einem Film erklärte:

„Ein Punkt, der uns von Anfang an gestört hat, war das Beibehalten der Waffe: Die immer weitere Verwendung ein und derselben Waffe bringt uns ja als Polizei erst auf diesen Zusammenhang. Sie stellt sozusagen das verbindende Glied dar in dieser Serie. Das ist eine Verhaltensweise, die wir schwer zu erklären fanden, gerade wenn die Taten im Kontext von organisierter Kriminalität gestanden hätten. Dann wäre deren eigentliches Interesse ja, im Verdeckten zu arbeiten, jenseits des Rampenlichtes und jenseits der polizeilichen Ermittlungen.

Es reduziert sich im Grunde genommen alles auf die Frage der Opferauswahl. Wenn man der Meinung ist, es hat was mit organisierter Kriminalität zu tun, dann sind die Opfer nicht zufällig oder situativ ausgewählt, sondern gezielt als diese Personen, und diese Personen müssen ‚weg‘. Wenn man aber auf eine situative Opferauswahl geht, dann sind die Opfer austauschbar bis zum gewissen Maße; dann ist darunter eine andere Motivlage, eben eine fremdenfeindliche Motivlage. Dann erst ergibt das Beibehalten der Waffe Sinn. Dann ist die Waffe sozusagen die Botschaft.

In einem deckt sich allerdings die Einschätzung von Oberstaatsanwalt Weingarten und dem Profiler Alexander Horn: Keiner ist auf die Idee gekommen, dass die Benutzung ein und derselben Waffe auf eine Beziehungstat hindeuten könnte. Was nutzen allgemeine Erfahrungssätze, dass die meisten Tötungsdelikte Beziehungstaten sind, wenn die offenbar gezielt immer wieder eingesetzte Waffe Menschen trifft, zwischen denen es absolut keinerlei Zusammenhang gibt. Spätestens nach dem dritten oder vierten Mord stand von vornherein fest, dass es sich nicht um eine Beziehungstat handeln konnte, diese Spur hätte bei den vergangenen Morden beerdigt werden können und bei den weiteren musste sie gar nicht ernsthaft verfolgt werden. Mit den Tatbekennungen sollten zwar nicht die Namen der Mitglieder des NSU bekannt werden – auch nicht durch die Paulchen Panther CD – wohl aber sollte bekannt werden, dass es einen rechtsradikalen, nationalsozialistischen Untergrund gibt wie auch durchaus bekannt werden sollte, dass diese Untergrundterroristen Tötungsdelikte begehen. Dass die staatlichen Behörden dies nicht rechtzeitig erkannt haben, ist ein Teil ihres Versagens.

NSU-Brief und Bekennervideo

Ich will nun im Einzelnen die Tatbekenntnisstrategie des NSU nachzeichnen. Diese war durchaus rational an den Zielen des NSU orientiert. Diese Strategie wiederlegt auch jeden Gedanken daran, dass Mundlos und Böhnhardt Psychopathen waren.

Dabei geht es zunächst um den bereits häufig zitierten NSU-Brief und das erste und zweite Bekennervideo. Tatsächlich ist das zweite Bekennervideo im Wesentlichen lediglich eine Fortschreibung des ersten. Es ist aber mitnichten eine Vorläuferversion des Paulchen-Panther-Videos in dem Sinne, dass das PP-Video nur die Fortschreibung des zweiten Bekennervideos ist. Das PP-Video hat einen durchaus anderen Charakter.

Der NSU-Brief liegt in verschiedenen Versionen vor. Es gibt ihn als Ausdruck der Datei wie sie auf dem Computer in der Frühlingsstr. gefunden wurde (SAO 45, S.4) und das beim Zeugen Petereit beschlagnahmte Exemplar (SAO 199, 266) das aus Vor- und Rückseite besteht. Zwischen den Varianten gibt es graphische aber keine inhaltlichen Unterschiede, d.h. mit der einfachen Wahl einer anderen Schrift, füllt der Text mehr oder weniger die Seite aus.

Festgestellt wurde in diesem Verfahren lediglich eine Versendung des Briefes an das Fanzine Weißer Wolf mit dem Zeugen Pe. sowie an das Fanzine Fahnenträger mit dem Zeugen W. In beiden Fällen enthielt das Schreiben außerdem eine durchaus erhebliche Geldspende. Die Versendung erfolgte in beiden Fällen so, dass als Absender eine jeweils andere rechtsradikale Zeitung angegeben wurde. Dies macht deutlich, dass es dem Trio darauf ankam, den Brief und die Spende auf jeden Fall bestimmten rechtsradikalen Zeitungen zukommen zu lassen. Nach dem in der Frühlingsstraße gefundenen Zettel, dem Asservat 2.12.357, gab es mindestens 5 Pärchen und es spricht nichts dafür, dass tatsächlich der Brief nur 2 Mal und nicht 5 Mal verschickt wurde. Sieht man sich die Pärchen an, so befinden sich darunter rechtsradikale Zeitungen, die zum damaligen Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten existierten, wie etwa die Zeitschrift Nation Europa seit 1951 oder die unabhängigen Nachrichten – UN abgekürzt – seit 1969. Es sollte außerdem eine Gruppe juristischer Unterstützer informiert werden, entweder die HNG (Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene) oder das deutsche Rechtsbüro, zu dem die Kollegin Pinar schon etwas gesagt hat. Daneben waren vor allem kleine rechtsradikale Fanzine aufgeführt, als harter Kern der gewalttätigen rechten Szene.

Der Brief selbst ist aufwendig gestaltet, es handelt sich nicht einfach um eine Textdatei, sondern nach den Feststellungen in der Hauptverhandlung um eine Grafikdatei, die mit dem Programm CorelDRAW hergestellt wurde. Der Brief war so gestaltet, dass er sowohl als A4 Version aber auch als verkleinerte A5 Version in den Fanzine hätte nachgedruckt werden können. Schon aus dieser Gesamtschau ergibt sich, dass der NSU darauf abzielte, dass dieser Brief tatsächlich in den angeschriebenen Zeitungen nachgedruckt wird. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass der Brief deswegen an Zeitungen geschickt wurde, damit der jeweilige Redakteur ihn sich durchliest und das Geld einsteckt. Das ergibt sich im Übrigen auch aus dem Inhalt des Briefes:

Zwar wird am Ende im NSU Brief ausdrücklich betont, dass die beiliegende Unterstützung keinerlei Verpflichtungen nach sich zieht, sowie außerdem, dass der Empfänger, sei es der Hauptadressat oder der Absender, den Brief und die Spende einbehalten kann. Im Brief selber heißt es allerdings:

„Das Zeichen des NSU symbolisiert die Sympathie und Verbundenheit gegenüber der neuen Bewegung. Es verkörpert jedoch auch die Ablehnung der bestehenden Verhältnisse und die Bereitschaft, dagegen vorzugehen. Eine Verbreitung ist aus diesem Grund erwünscht!“

Hier wird also – selbst wenn das nicht Bedingung der Spende ist – ausdrücklich der Wunsch geäußert, dass das Zeichen des NSU – und damit natürlich auch der Brief – verbreitet wird. Sodann heißt es noch weiter, dass der NSU niemals direkt erreichbar sei und:

„Was aber nicht bedeutet, dass er unerreichbar ist. Internet, Zeitungen und Zine’s sind gute Informationsquellen – auch für den NSU.“

Damit ist das Ziel dieses Briefes ziemlich klar: Es sollten weitere Personen für den NSU gewonnen werden und diese gewonnenen Personen wie auch die bisher schon dem NSU zugehörige Personen sollen sich untereinander über rechtsradikale Fanzines, das Internet und Zeitungen verständigen. Hier war also durchaus sowohl eine Strategie zur Gewinnung neuer Mitglieder, wie eine Strategie zur Verständigung untereinander angelegt.

Schon die Großspurigkeit, mit der im NSU-Brief „jeder Kamerad“ aufgefordert wurde, „seinen Beitrag zu leisten“ und Teil des NSU zu werden, macht deutlich, dass es hier nicht darum ging, mögliche Aktivitäten des NSU in die Richtung eines Auftragskillers zu lenken, sondern die Existenz einer solchen Gruppe bei gleichzeitiger Anonymität ihrer Mitglieder bekannt werden sollte.

Ich gehe im Übrigen auch davon aus, dass der Brief nicht nur an die Zeitungen verschickt wurde, sondern auch an enge Vertraute und nicht nur den Mitangeklagten Eminger weitergeben wurde. Er wurde zwar nicht in den Zeitungen veröffentlicht, wie weit er aber unter der Hand verbreitet wurde, wissen wir nicht.

Was in den bisherigen Bewertungen des NSU-Briefes überhaupt nicht berücksichtigt wurde, ist der enge zeitliche und inhaltliche Zusammenhang zwischen dem NSU Brief und dem zweiten Bekennervideo. Dieses wird im Verfahren als „Vorläuferversion“ des Paulchen Panther Videos bezeichnet. Dadurch wird der Blick auf die wirkliche Funktion dieses Videos verstellt. Es handelt sich um ein in sich abgeschlossenes, wenn auch durchaus um weitere Taten erweiterbares Video, das auch auf eine andere Art gemein und menschenverachtend ist, als das Paulchen Panther Video. Es behandelt die Mordtaten bis zum Mord an Habil Kilic. Der zeitliche Zusammenhang zum NSU Brief ist deutlich. Nach den Angaben des Zeugen Dern erfolgte die Erstellung des zweiten Videos im Oktober 2001, die letzte Bearbeitung des NSU-Briefes im Februar 2002, wobei allerdings bereits geringfügige Änderungen zu einem solchen Zeitstempel führen können, wie z.B. die  Verwendung einer anderen Schrift. wie sie sich aus dem Vergleich der Computerversion und der verschickten Version ergibt.

Vergleicht man die einleitende schriftliche Botschaft des zweiten Videos mit der einleitenden Botschaft des Paulchen Panther Videos so werden die unterschiedlichen Adressaten deutlich. Im Paulchen Panther Video heißt es zu Beginn: „Der nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden mit den Grundsatz –Taten statt Worte-.“ Das ist eine Kurzfassung der Selbstvorstellung aus dem NSU-Brief. Im zweiten Video hingegen wird nicht erklärt, wer oder was der NSU ist. Dort heißt es vielmehr sofort: „Der nationalsozialistische Untergrund wird nicht durch viele Worte auf sich aufmerksam machen, sondern durch Taten.“ Dies macht deutlich, dass das zweite Video sich an einen Personenkreis richtete, dem nicht mehr erklärt werden musste, dass es den NSU gibt, und was der NSU ist. Das waren die Empfänger oder Leser des NSU-Briefes – wenn er veröffentlicht worden wäre -, in dem ausdrücklich erklärt war, was der NSU ist.

Nun ist es durchaus typisch, dass Menschen – selbst mit begrenzten intellektuellen Fähigkeiten – sich für etwas ganz Besonderes halten, wenn sie besonders radikal sind. Das Trio hatte noch erlebt, dass sie nach dem Abtauchen die Helden in der Szene waren und wer weiß, wer außer dem Angeklagten Eminger auch in der Folgezeit bewundernd zu ihnen aufgeschaut hat. Für das Trio war klar, dass der NSU-Brief nicht irgendwo im Papierkorb landet, sondern dass zumindest einzelne der Publikationen den Brief veröffentlichen. Da konnten sie auch generös sein, und die Entgegennahme der Spende nicht an die Veröffentlichung binden. Sie erwarteten dann eine Diskussion über ihr Konzept des NSU. Aus meiner Sicht spricht alles dafür, dass in einer solchen Diskussion, in der es auch um die Frage gegangen wäre, was man denn eigentlich als Untergrundkämpfer tun kann, das zweite Bekennervideo in größerem Umfang bekannt gemacht worden wäre.

Das Trio hat das zweite Bekennervideo sicherlich auch als Werbung für den NSU zum Zwecke des Gewinnens weiterer Mitglieder angesehen. In diesem Sinne war natürlich auch die Auswahl des Liedes, das von Anfang bis Ende dem Video unterlegt ist, nicht zufällig. Das Lied der Gruppe „Noie Werte“ unter dem Titel „ am Puls der Zeit“ nimmt die Behauptung in allen drei Dokumenten, nämlich dem NSU-Brief, dem zweiten Video und dem Paulchen-Panther-Video auf. In diesen heißt es als zentraler Kernsatz übereinstimmend: „Solange sich keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, wird der NSU seine Aktivität weiterführen.“ Im Lied heißt es:

Gedankenterror gegen freie Meinung
macht die Birne hohl.
Eine Wahrheit, die nicht wahr sein darf
schützt man durch Verbot.

Der werbende Charakter des Videos zeigt sich dann in den im Lied mehrfach wiederholten Zeilen:

„und dann kann es passieren, dass die Zeiten sich ändern
und du kannst sagen: „Ich war dabei!““

„Ich war dabei“ als Appell daran, später einmal sagen zu können, man sei einer von den ganz alten Kämpfern gewesen, so wie es einmal Zeiten in Deutschland gab, in der man stolz auf eine besonders niedrige Mitgliedsnummer der NSDAP war.

Nach allem was wir wissen, war die Verbreitung des NSU-Briefes und deshalb wahrscheinlich auch des zweiten Bekennervideos gering, Letzteres dürfte nur unter Vertrauten verbreitet worden sein. Das Trio musste registrieren, dass bereits der erste Teil ihres Planes, nämlich die Veröffentlichung des NSU-Briefes in verschiedenen rechtsradikalen Organen nicht stattgefunden hat und damit auch keine Diskussion über ihr Konzept des Untergrundes. Das mag sie hart getroffen haben, so dass ich den Zeitablauf von 2 ½ Jahren zwischen dem Mord an Habil Kilic (dem letzten auf dem zweiten Bekennervideo verherrlichten Mord) und den Anschlägen im Jahre 2004 nicht für einen Zufall halte. Bevor ich darauf näher eingehe, sei an dieser Stelle zunächst ein Blick auf die Einlassung der Angeklagten Zschäpe geworfen.

Die Einlassung der Angeklagten zum NSU-Brief und dem Bekennervideo

Im Zusammenhang mit dem NSU-Brief und dem zweiten Bekennervideo sind weitere Lügen der Angeklagten festzustellen. So berichtet sie in ihrer Einlassung vom 09.12.2015 auf Seite 42 von einem Streit wegen einer Spende an den Weißen Wolf. Auch in späteren Erklärungen hat sie immer nur von dieser einen Spende gesprochen. Nun wissen wir allerdings, dass es mindestens 2 Spenden, wahrscheinlich allerdings 5 Spenden gegeben hat. Auch hier wäre es absurd zu denken, Uwe Mundlos hätte der Angeklagten zwar etwas von der Spende an den Weißen Wolf erzählt, nichts aber von den weiteren Spenden. Bezeichnend in diesem Zusammenhang auch, dass die Angeklagte überhaupt nicht darauf einging, welchen Zweck Uwe Mundlos mit den Spenden verfolgte. Ich hatte oben dargelegt, dass damit ein psycholo­gischer Veröffentlichungszwang ausgeübt werden sollte und sicherlich hat U.M. der Angeklagten auch erklärt, welche Zwecke mit der Spende verfolgt werden.

Sodann behauptet die Angeklagte zum Logo NSU auf Seite 43 ihrer Einlassung: „Uwe Mundlos hatte sich diese drei Buchstaben einfallen lassen“ Über die ideologische Affinität des NSU zur nationalsozialistischen SA ist bereits einiges gesagt wurden. Das Zeichen des NSU ist erkennbar inspiriert vom Zeichen der SA, was man wie folgt zeigen kann:

vonSAzuNSU

Man sieht oben links die Rückseite einer in Augenschein genommenen SA Karte aus dem Spiel Pogromoly, daneben das allgemeinkundige Originalzeichen der SA, dieses dann einmal noch um 180 Grad gedreht und darunter das Zeichen des NSU, wie es in den Videos und im NSU Brief verwandt wird. Es ist unmittelbar evident, dass inspiriert durch das Zeichen der SA für den NSU ein Schriftzug gesucht wurde, bei dem auch die Buchstaben ineinander liefen und schwungvoll noch oben zeigten. Natürlich war Uwe Mundlos stolz darauf, für den NSU ein Zeichen entworfen zu haben, das eine ähnliche Formgebung wie das Zeichen der SA hat. Und natürlich hat er darüber nicht nur mit Uwe Böhnhardt, sondern auch mit der Angeklagten Zschäpe gesprochen.

Der NSU-Brief zielte auf Veröffentlichung ab. Außerdem bestand zumindest immer die Gefahr (wenn weder Empfänger, noch Absender auffindbar waren,) dass er von der Post geöffnet wird. Deswegen und wegen der erwünschten Veröffentlichung des Briefes ist es ausgeschlossen, dass das Versenden des Briefes und sein Inhalt nicht mit der Angeklagten Zschäpe besprochen wurde. Welchen Grund sollten Böhnhardt und Mundlos haben, die Person, die mit ihnen und mit ihren politischen Auffassungen in den Untergrund gegangen war, von Veröffentlichungen auszuschließen oder sie nicht daran zu beteiligen stattdessen aber diesen Brief anderen Personen zukommen zu lassen, zu denen deutlich weniger Kontakt und Vertrauen bestand und bestehen konnte als zur Der Zeuge W., der den Brief bekam und die Spende nutzte um den Inhalt seines Fanzines anwaltlich prüfen zu lassen, dürfte den beiden Uwes ideologisch deutlich weiter entfernt gewesen sein, als die Angeklagte Zschäpe. Wäre der Brief – wie es geplant war – in Zeitungen und Fanzines veröffentlicht worden, hätte dies natürlich zu einer öffentlichen Diskussion geführt, eventuell sogar zu staatlichen Fahndungsmaßnahmen. Dass die Angeklagte Zschäpe dadurch plötzlich überrascht werden sollte und nicht von vornherein eingeweiht war, ist ausgeschlossen.

Selbst wenn man meine Einschätzung zum Zusammenhang zwischen dem NSU-Brief und dem zweiten Bekennervideo nicht teilt, bleibt doch völlig unabhängig davon, dass beide ursprünglich für eine Veröffentlichung bestimmt waren. Da mag eventuell der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Filmes noch nicht ganz klar gewesen sein, dass er für eine Veröffentlichung gemacht war, ergibt sich schon aus seinem Inhalt. Nach jeder Mordtat, mit der das Trio sich brüstet, heißt es, dass dem Opfer jetzt klar ist, wie ernst dem NSU der Erhalt der deutschen Nation sei. Im ersten Video wird sogar noch einmal ergänzt: „Und ihr wisst es jetzt auch.“ Bereits am Ende des ersten und zweiten Video heißt es: „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder keine Frage.“ Auch das macht deutlich, dass die Veröffentlichung schon während der ursprünglichen Mordserie ins Auge gefasst war. Schon daraus ergibt sich, dass der Film auch mit der Angeklagten Zschäpe besprochen wurde. Warum sollte man beabsichtigen, den Film an Außenstehende zu verbreiten, aber nicht an die Angeklagte. Das wäre abwegig. Ich hatte schon an dem Artikel zum Mordfall Kilic dargelegt dass es sogar deutliche Hinweise auf eine Mitarbeit der Angeklagten am zweiten Bekennervideo gibt. Noch eine weitere Schlussfolgerung ergibt sich aus dem Film. Wir hatten die Angeklagte  Zschäpe auch und auch insoweit vergeblich gefragt:

Haben Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos als Grund für die von ihnen verübten Morde (auch) erklärt, dass sie dies zur Erhaltung der deutschen Nation getan hätten, dass es notwendig sei Ausländer zu töten um die deutsche Nation zu erhalten?

Warum sollten die beiden Uwes in einem Film, der für eine Veröffentlichung bestimmt war, als Grund für ihre Mordtaten den Erhalt der deutschen Nation angeben, diese Begründung aber gegenüber der ihnen gleichgesinnten Angeklagten Zschäpe verschweigen? Sie war schließlich mit ihnen in den Untergrund gegangen nachdem sie noch 2 Tage vor dem Untertauchen auf einer Demonstration in Dresden neben dem Transparent gelaufen war mit der Aufschrift: „Nationalismus – Eine Idee sucht Handelnde“. Die ganzen Behauptungen von Frau Zschäpe dazu, was Mundlos und Böhnhardt ihr über den Grund der Morde gesagt haben, sind unwahr. Das gilt insbesondere für die Behauptung von Frau Zschäpe, die beiden Uwes hätten als Begründung für ihre Mordtaten immer angegeben: „Wir haben unser Leben ohnehin verkackt.“ Ich hatte wiederholt auf die mangelnde Authentizität der Einlassung der Angeklagten hingewiesen. Dies ist wieder ein besonders markanter Punkt, da natürlich bei einer solchen Äußerung –wenn sie dann tatsächlich in diesem Zusammenhang gefallen wäre- das erste Gegenargument auf der Hand liegt; die Angeklagte hätte den beiden Uwes vorgehalten, dass jedes Jahr in Deutschland tausende oder zehntausende Menschen „ihr Leben verkackt haben“ und trotzdem nicht andere Menschen umbringen. Es handelt sich also um keine Erklärung für Mordtaten und niemand würde sich mit einer solchen Erklärung zufrieden geben. Eine gewisse Plausibilität könnte eine solche Erklärung nur in einem völlig anderen Zusammenhang haben. Wenn wir uns vorstellen, dass Frau Zschäpe mit den beiden Uwes zum Beispiel in der Heisenbergstraße in der Planung des ersten Mordes über mögliche Folgen der Tat diskutiert hat und dann auch darüber, dass man eine lebenslange Freiheitstrafe fürchten müsse, falls man bei den Mordtaten erwischt würde, dann könnte man sich plausibel eine Antwort der Uwes vorstellen, dass ihnen das nichts ausmache, weil sie ihr Leben ohnehin „verkackt“ hätten und auch außerdem sich lieber umbringen würden, als ins Gefängnis zu gehen. Diese Äußerungen sind plausibel in einem Zusammenhang der Diskussion der Folgen der Mordtaten, nicht aber in einem Zusammenhang, in dem es um die Begründung geht, warum man Menschen umgebracht hat.

Die Tatbekennung durch den Anschlag in der Keupstrasse

Ich komme jetzt wieder zurück zu den weiteren Tatbekennungen des NSU. Die Pause von 2 ½ Jahren zwischen dem Mord an Habil Kilic und dem Mord an Mehmet Turgut und dem Bombenanschlag in der Keupstr. dürfte durch Folgendes zu erklären sein: Nach dem Mord an Habil Kilic, der im 2.Bekennervideo mit einer Reihe von Zeitungsausschnitten – wie ich bereits geschildert habe – aufwendig aufgearbeitet wurde, sollte erst die weitere Entwicklung abgewartet werden, insbesondere die Versendung des NSU-Briefes, die Reaktionen darauf, wie aber auch die dann eventuell erfolgende Veröffentlichung des zweiten Videos. Wie ich auch bereits ausgeführt habe, erschienen nach dem Mord an Habil Kilic auch erstmals eine Reihe von Zeitungsartikeln, in denen öffentlich die Zusammenhänge zwischen den Mordtaten über die Tatwaffe hergestellt wurden. Auch unter diesem Gesichtspunkt konnte das Trio also abwarten, ob die staatlichen Stellen erkannten, dass es nur eine einzige Gemeinsamkeit der Opfer desselben Täters gab, nämlich ihre migrantische Herkunft. Es ist also nicht besonders verwunderlich, dass das Trio die weitere Entwicklung abwarten wollte, auch gerade die zunächst erwarteten Erfolge der Veröffentlichung des NSU-Briefes.

Die Tatsache, dass das Trio erst ab Mitte 2004 den Führerschein von Holger Gerlach zur Verfügung hatte, dürfte hingegen bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen, wenn man bedenkt, dass mindestens die Ausspähfahrt nach Stuttgart von der Fotos existieren, im Jahre 2003 stattgefunden hat.

Es wird schon eine herbe Enttäuschung für das Trio gewesen sein, dass der NSU-Brief nicht das erwartete und erhoffte Echo gefunden hat. Der NSU plante deshalb eine Straftat, bei der auch aus Sicht des NSU eigentlich sofort klar sein musste, dass sie auf Rechtsterroristen zurückging, nämlich der Bombenanschlag in der Keupstraße. Die Ermordung von Mehmet Turgut kurz vor dem Anschlag in der Keupstraße mag noch insofern ein zusätzlicher Hinweis an die Polizei gewesen sein, als der Tatort fernab von allen anderen lag und zumindest aus Sicht der Täter damit irgendwelche anderen Gemeinsamkeiten als die der Ermordung von Migranten durch ein und dieselbe Person für die Polizei nicht mehr auftauchen konnte.

Der Bombenanschlag in der Keupstraße hatte für den NSU eine zentrale Bedeutung. Dies wird schon an dem Aufwand klar, der damit getrieben wurde. Nicht nur der doch erhebliche logistische Aufwand mit der Herstellung der Bombe, des Transports von insgesamt 3 Fahrrädern von Zwickau nach Köln einschließlich der Bombe, des Ausspionierens eines möglichen Tatortes, belegt dies, sondern insbesondere auch die Nachbearbeitung. Dass von vornherein geplant war, möglichst viele Fernsehberichte zur Keupstraße festzuhalten, ist durch die in der Frühlingsstraße aufgefundenen Fernsehmitschnitte belegt. Dasselbe gilt auch für die Aufarbeitung mit Zeitungsausschnitten. Von den 66 Asservaten aus dem Zeitungsarchiv beziehen sich 20, also fast 1/3, auf die Keupstraße. Das Paulchen-Panther-Video beschäftigt sich bei einer Gesamtlänge von 15 Minuten allein 3 Minuten mit dem Anschlag in der Keupstraße. Getreu der Devise „Taten statt Worte“ hatte der NSU wohl auch selbst den Anschlag in der Keupstraße als Tat geplant, bei der bereits auf den ersten Blick erkennbar sein sollte, dass es einen rechtsradikalen terroristischen Untergrund gibt. Das Tatmittel deutete von vornherein auf eine terroristische Tat hin. Der Ort der Tat war eine klare Kampfansage an migrantische Strukturen. Diese Form der Tatbekennung war so deutlich, dass auch die erste polizeiliche Meldung zu der Tat diese als terroristisch bezeichnete. Es bedurfte dann schon erheblicher bewusster politischer Anstrengungen, um diese Sichtweise der Tat aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Die Einzelheiten dazu sind bereits mehrfach geschildert worden, darauf muss ich nicht erneut eingehen.

Die Tatbekennung durch den Anschlag war so deutlich, dass sie sogar in London verstanden wurde und Scotland Yard von sich aus ein Dossier an das BKA schickte, und auf eine Parallelität zwischen dieser Tat und Nagelbombenanschlägen eines Herrn Copeland in London hinwies, die sich auch gegen migrantische Strukturen richtete. Statt hier eine Blaupause für den Anschlag in der Keupstraße zu sehen, verschwand das Dossier in den Kölner Spurenakten, da – wie die Kölner Polizei scharfsinnig feststellte – David Copeland selbst als Täter ausschied.

Dieser auch international erkannte Zusammenhang des Anschlages zum Rechtsterrorismus findet keine Entsprechung hinsichtlich des „klischeehaften Profikillers“ den Oberstaatsanwalt Weingarten in seinem Plädoyer erwähnt hat. Es gibt eben weder in unserer Akte noch nach meiner Kenntnis in Spurenakten irgendeinen Hinweis aus Ost- oder Südeuropa, dass die Tatserie der Erschießungen Ähnlichkeiten zur Mordserie irgendeines Profikillers in Europa aufweist. Hätte man überhaupt nach Blaupausen gesucht, hätte man sie allerhöchstens beim Laserman in Schweden finden können, der tatsächlich ohne jede persönliche Beziehung migrantische Personen angeschossen und erschossen hat und der im Übrigen – auch das eine Parallele zum NSU – mit Fahrrädern Banken überfallen hat. Bereits im Jahre 2000 waren die Straftaten des Lasermans aus Anfang der 90er Jahre umfangreich aufgearbeitet. Warum die deutschen Sicherheitsbehörden Parallelen dazu erst nach der Selbstenttarnung des NSU gezogen haben, ist bis heute unklar. Dasselbe gilt für die vom Kollegen Illius bereits geschilderten Hinweis des FBI. Wir halten fest: Es gab keine Hinweise auf Profikiller, soweit Blaupausen für die Taten existierten oder von ausländischen Dienststellen übersandt wurden, beziehen sich diese immer auf rechtsradikale Taten.

Dass Frau Zschäpe mit Herrn Mundlos und Herrn Böhnhardt nach dem gelungen Anschlag in der Keupstraße in allerbester Laune einen Urlaub verbracht hat, ist durch die gezeigten Fotos dokumentiert. Allerdings wird es auch das Trio überrascht haben, dass ihre Planung zumin­dest durch diese Tat ein deutliches Bekenntnis zu einem existierenden rechtsterroristischen Untergrund abzulegen, nicht verstanden wurde.

Natürlich hatte auch die nächste Mordtat an Ismail Yasar in Nürnberg am 09.06.2005 den Charakter einer Tatbekennung. Dieses Datum wurde ausgewählt, um ganz bewusst die Beziehung zwischen den Mordtaten an einzelnen Personen und dem Bombenanschlag in der Keupstraße herzustellen. Die eindeutigen und klaren Hinweise durch die Zeugin Ke., die spontan auf dem Video des Fernsehsenders Viva die Täter wiedererkannt hatte, die sie in Nürnberg vor dem Mord an Ismail Yasar gesehen hatte, wurden klein geredet.

Die Zeugin Ke. hatte hier in ihrer Vernehmung wie auch bereits in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung davon berichtet, dass sie Täter in einer hellen Hautfarbe gesehen hatte und nicht etwa südländisch- oder türkischstämmige Menschen. Sie berichtet auch, dass ihr trotzdem eine Vielzahl von Lichtbildern vorgelegt wurden, von denen die meisten südländisch- und türkischstämmige Personen zeigten und dass auf ihre Frage, warum dies trotz ihrer Personenbeschreibung passiere, die Polizeibeamten ihr erklärten, das machten sie immer so. Ich weiß nicht, wie man dieses Verhalten der Polizei anders als institutionellen Rassismus bezeichnen soll. Für mich zumindest ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum jemandem, der hellhäutige Täter beschrieben hat, Lichtbilder von dunkelhäutigen Personen vorgelegt wurden, außer man geht trotz der bisherigen Aussage der Zeugin davon aus, dass es eigentlich doch Südländer gewesen sein müssen. Niemand hat je behauptet, dass alle Ermittlungspannen in allen Verfahren Ausdruck des institutionellen Rassismus sind. Aber die Ermittlungen in diesem Verfahren sind gleichzeitig so etwas wie eine repräsentative Umfrage auf den Polizeiwachen der Republik von München bis Hamburg und von Dortmund bis Rostock in vergleichbaren Fällen. Der Gemeinsamkeit der Opfer entsprachen die Gemeinsamkeit der Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte in Richtung Beziehungen, Rauchgift, organisierte Kriminalität. Gerade die Übereinstimmung in den Reaktionen der Ermittlungsbehörden quer durch die Republik machen deutlich dass es dabei um ein grundlegendes Problem ging und nicht um Ermittlungspannen hier oder da. Dieses grundlegende Problem als institutionellen Rassismus zu umreißen, halte ich für zutreffend.

Zurück zur Aussage der Zeugin Ke.: Nach der Spur „Blaupause Copeland“ blieb es der Kölner Polizei auch vorbehalten, die Spur Ke. zu begraben. Selbst der Vorschlag der Nürnberger Kollegen, eine operative Fallstudie beim BKA in Auftrag zu geben, gegründet auf der Hypothese, dass für die Mordserie und den Bombenanschlag dieselben Täter verantwortlich sind, wurde von der Kölner Polizei torpediert mit der Begründung, man könne Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, d.h. Täter die mit Pistolen töten, müssen andere sein als Täter, die Bomben legen. Gegenüber Außenstehenden, wie dem Redakteur Deglow des Kölner Stadtanzeigers, dem die Ähnlichkeit der Phantombilder zu Köln und dem Mordfall Yasar aufgefallen war, wurde behauptet, man habe Zusammenhänge zwischen den Tätern in der Keupstraße und den Tätern im Fall Yasar abgeklärt, es handele sich nicht um dieselben Täter. Dies ist von uns unter Beweis gestellt worden. Das Gericht hat dem allerdings für die Tat- und Schuldfrage keine Bedeutung beigemessen. Als im Jahre 2008 die Kölner Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen der Keupstr. vorläufig eingestellt hat, heißt es in der entsprechenden Verfügung (Altakten Keupstr. Bd. IV, Bl. 718):

„Nachdem es den eingesetzten verdeckten Ermittlern gelungen war zu den in der Keupstraße ansässigen und verkehrenden Personen türkischer Nationalität eine tragfähige Vertrauensbasis aufzubauen, haben sie in persönlichen Gesprächen auch immer wieder den Sprengstoffanschlag zum Gegenstand gemacht. Die in diesem Zusammenhang geäußerten Meinungen/Mutmaßungen über die Hintergründe des Anschlags sind vielfältig gewesen und haben sich in reinen Gerüchten und Vermutungen (reine Spekulationen, „Verschwörungstheorien“ o.a.) erschöpft, die von einem fremdenfeindlichen Hintergrund über Milieustreitigkeiten, Schutzgelder­pressungen bis zu einem Zusammenhang zu den Serienmorden an türkischen Ge­schäftsleuten in Deutschland reichten. Konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit auch nur einer dieser Theorien haben sich jedenfalls nicht ergeben.“

Man kann also feststellen: wenn verdeckte Ermittler schon mal vernünftige Theorien präsentiert bekommen, sind diese absurd. Der Einsatz der verdeckten Ermittler zeigt, dass die Betroffenen deutlich bessere Ahnungen von den Tätern hatten, als die Polizei. Umso absurder die Behauptung, die Polizei habe all das nicht erkennen können. Wir wissen nicht, ob der damals zuständige Staatsanwalt in der Aufzählung der Theorien eine Steigerung versuchte, angefangen bei absurd für fremdenfeindlich über Milieustreitigkeiten und Schutzgelderpressung zu der völlig abwegigen Verschwörungstheorie eines Zusammenhanges mit den Mordtaten. Wie man allerdings trotz der Aussage der Zeugin Keller und der Ähnlichkeit der Phantombilder die Behauptung aufstellen konnte, es gäbe keinen Beleg für den Zusammenhang zwischen der Keupstr. und der Mordserie bleibt das Geheimnis des Staatsanwaltes.

Das Paulchen-Panter Video

Das zweite Bekennervideo war so konzipiert, dass es um weitere Taten ergänzt werden konnte. Jede weitere Tat hätte in das Video durch eine der Schaltflächen einbezogen werden können. Nach den Feststellungen in der Hauptverhandlung müssen wir aber davon ausgehen, dass in der Zeit zwischen Ende 2001, d.h. der Herstellung des zweiten Bekennervideos und 2006 nach dem Mord an Halit Yozgat keine Bearbeitung von Bekennervideos stattfand. Der NSU war sich offenbar zunächst nicht im Klaren darüber, in welcher Form die öffentliche Tatbekennung erfolgen sollte. Er hat auch Geschmack daran gefunden, dass die Opfer ihrer Taten und deren Familien anschließend durch die Ermittlungsbehörden gequält wurden. Der NSU hätte das zweite Bekennervideo fortschreiben können, entschied sich aber offensichtlich angesichts der Tatsache, dass selbst nach dem 9. Mord die Sicherheitsbehörden in Deutsch­land immer noch nicht den Zusammenhang und die Hinweise auf einen rechtsradikalen Untergrund verstanden hatten, eher dafür, ein Video zu erstellen, das – anders als das zweite Bekennervideo – nicht aus einer offen aggressiven und direkten Rechtfertigung der nach Ort und Zeit geschilderten Mordtaten bestehen sollte, sondern das mit dem Mittel der scheinbaren Ironie auf  Beifall in der Szene hoffte bei gleichzeitiger Verächtlichmachung der Opfer. Die massive Verachtung der Opfer der Mordtaten wird schon daran deutlich, dass die meisten Erschossenen nur noch in einem Foto auf der Staffelei auftauchen, der Erschossene Mehmet Turgut nicht einmal damit. Gleichzeitig macht sich das Video über den Staat lustig, der den Zusammenhang zwischen der rechten Szene und den Mordtaten nicht erkannt hat. Der Scheinironie wird auch die direkte aggressive und brutale Ansprache aus dem zweiten Video geopfert. Da weder ein eigener Kommentar gesprochen wird, noch eigene Musik das Video untermalt sondern nur an einigen Stellen Texte eingeblendet sind, sind weite Strecken Szenen aus Paulchen-Panther-Filmen mit geringer Bedeutung, so etwa wird eine Verfolgungsjagd mit einem Hund nur deswegen gezeigt, weil der Kommentator im Original des Paulchen-Panther-Videos in diesem Zusammenhang davon spricht, dass man „manches nur mit Gewalt erreichen kann“. Die Darstellung des Bombenanschlages in der Probsteigasse ist sogar aus sich heraus völlig unverständlich. Weder wird das Opfer mit Namen genannt, noch gibt es Hinweise auf den migrantischen Hintergrund der Tat. Gezeigt wird vielmehr das Ladenschild mit dem Namen des früheren deutschen Inhabers des Geschäftes. Dies führte dazu, dass auch bei Auswertung des Paulchen-Panther-Videos zunächst gar keine Beziehung zum Bombenanschlag in der Probsteigasse hergestellt wurde. Auf SAO 44, 109 heißt es in einer ersten Auswertung der PP DVD vom 12.11.2011:

1. unbekannter Tatort: Sprengstoffanschlag auf ,Lebensmittel Getränkeshop Gerd Simon“ (ab Videolaufzeit 1:27, Einblendung ‹WDR“)

Die Konzeption der DVD spricht mehr dafür, dass sie nicht irgendwann isoliert verschickt werden sollte, sondern eher im Zusammenhang mit einer Aktion.

Wir wissen, dass das Video Ende 2006/Anfang 2007 als Datei fertig gestellt wurde. Wann diese Dateien dann auf die DVDs kopiert wurden und die DVDs bedruckt, wissen wir nicht. Wir wissen aber dass die Verschickung frühestens ab dem 1.1.2010 geplant gewesen sein kann, da die Briefmarke auf den Umschlägen zur Verschickung erst ab dem 1.1.2010 im Umlauf war. Es spricht einiges dafür, dass zwischen 2007 und 2011 der Lockruf des vielen Geldes, nämlich 265.000 € aus zwei Banküberfällen in Rostock (gemeint: Stralsung), dafür gesorgt hat, dass zunächst nicht weitergemordet wurde. Die Tatsache, dass aber im Jahre 2010 – eher 2011 – die Verschickung geplant war, spricht für die Planung weiterer terroristischer Taten. Das Paulchen-Panther-Video war kein Abschiedsvideo, das erst nach dem Tod von UM und UB verschickt werden sollte, wie Frau Z. behauptet. Das ergibt sich bereits aus der Ankündigung einer 2. DVD. Das Ende des Videos mit „Heute ist nicht aller Tage, wir kommen wieder, keine Frage“ ist sicherlich das Gegenteil von „Wenn ihr das hier seht, sind wir schon tot“. Auch das widerlegt die Behauptung von Frau Z. zu den „absoluten Versprechen“. Das Video war aus sich heraus auch nicht geeignet „der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass sie es waren, die die Morde begangen hatten.“, wie es die Angeklagte auf S. 36 ihrer Einlassung behauptet hat. Aus dem Inhalt des Videos ergibt sich keinerlei Hinweis auf die Person des oder der Täter, sondern nur darauf, dass es einen rechtsterroristischen Untergrund gibt.

Da die Videos aber eingetütet waren, spricht einiges dafür, dass der NSU eine weitere vielleicht große Tat plante, in deren Zusammenhang das Video verschickt werden sollte. Auf dem Rechner (Asservat EDV 1) wurde eine Karte von Google Maps für das jüdische Krankenhaus in Berlin gefunden, die nach April 2011 heruntergeladen sein musste, weil der Computer erst im April 2011 eingerichtet worden war. Es kann also durchaus sein, dass durch den Selbstmord der beiden Uwes am 4.11.2011 ein geplanter größerer Terroranschlag verhindert wurde und dass die Angeklagte Zschäpe die in diesem Zusammenhang ohnehin geplante Verschickung des Bekennervideos als Teil eines größeren Planes durchgeführt hat.