Soziale Gerechtigkeit ist nicht alles, aber ohne soziale Gerechtigkeit ist alles nichts.

Schon in den Sondierungsgesprächen hatte die Frage der sozialen Gerechtigkeit besondere Bedeutung. Die SPD wird noch weiter abwirtschaften, wenn sie sich hier nicht gegen Merz durchsetzt. Glücklicherweise ist die Linke mit einem starken Ergebnis in den Bundestag eingezogen; sie macht deutlich, wie wichtig die Fragen der sozialen Gerechtigkeit sind. Wir hoffen, dass die SPD diesen Druck  spürt und in diesen Fragen unnachgiebig gegenüber der CDU sein wird. Da allerdings ist einiges zu tun, es geht eben nicht nur um die Aufhebung der Schuldenbremse und ein Sondervermögen für Infrastruktur sondern vor allem auch um die Gerechtigkeit bei der Finanzierung des Staates:

„Fleiß muss man wieder im Geldbeutel spüren“

Wes Geistes Kind die Merz CDU ist, soll an zwei Ihrer Wahlplakate gezeigt werden: „Fleiß muss man wieder im Geldbeutel spüren“ (Foto in diesem Artikel). Ich habe dieses Plakat am selben Tag gesehen, als die Untersuchungen über das sinkende Rentenniveau und die Bedrohung insbesondere von Rentnerinnen durch Altersarmut in den Medien behandelt wurde. Sicherlich werden darunter viele Personen sein, die 35, 40 oder 45 Jahre gearbeitet haben, aber trotzdem keine auskömmliche Rente erhalten. Sollte also Friedrich Merz tatsächlich für eine Erhöhung der Renten eintreten, damit diese Rentner*innen ihren Fleiß im Geldbeutel spüren? Nichts davon ist allerdings im CDU Programms lesen. Aber wahrscheinlich geht es auch eher um diejenigen, die ganz fleißig – wie so schön heißt – ihr Geld für sich arbeiten lassen. Gerade in den letzten Jahren konnte man den Ertrag dieser fleißigen Tätigkeit des Geldes bei der Vermehrung des Vermögens gut beobachten. Deutlich schneller als die profane Arbeit der ansonsten bei jeder Gelegenheit zitierten „hart arbeitenden Menschen“ produzierte Vermögen weiteren Zuwachs und ist im Geldbeutel auch gut zu spüren. Selbst nach der eher beschönigenden Statistik aus dem Bundeswirtschaftsministerium hat sich das Vermögen der 10 % Reichsten in Deutschland von 2011 auf 2023 von damals 5 Billionen auf nunmehr 10,5 Billionen mehr als verdoppelt.

Doch wahrscheinlich ging es gar nicht darum, sondern nur um eine angekündigte CDU Gemeinheit, den Angriff auf das Bürgergeld. Da steht immer das sogenannte Lohnabstands­gebot im Raum, d. h. die Behauptung durch einen deutlichen Abstand zwischen Bürgergeld und Einkommen würde die Arbeitslosigkeit reduziert. Nun gibt es bekanntlich zwei Möglich-keiten diesen Abstand herzustellen, zum einen die Erhöhung des Lohnes, insbesondere des Mindestlohns, zum anderen die Senkung des Bürgergeldes. Die CDU will offenbar das Zweite durchsetzen. Spüren dann aber wirklich die Arbeitenden ihren Fleiß im Geldbeutel? Mehr als jetzt haben Sie dann ja nicht. Sie könnten – wenn sie mit der Gemeinheit eines Merz einverstanden sind – nur befriedigt auf diejenigen herab gucken, die jetzt noch weniger erhalten.

„Ohne Wirtschaft läuft es nicht“

Auf den ersten Blick schien dieses CDU-Plakat schon fast so sinnentleert, wie der Slogan „Zukunft ist gut für alle“, den die Kunstfigur Dr. Udo Brömme (ein von der Harald Schmidt Show erfundener CDU-Politiker) zu seinem Markenzeichen gemacht hatte. Doch auch hier kann man natürlich verschiedene Deutungen vornehmen. Betrachtet man in „die Wirtschaft“ vor allen Dingen als das Ergebnis von mindestens 38 Millionen arbeitenden Menschen so könnte dieses Plakat auch nur eine Kurzfassung der alten Parole sein: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“.

Natürlich ist dies bei der CDU so nicht gemeint. Sie reduziert „die Wirtschaft“ auf die Chefetagen und meint das alles zur Aufhellung der Stimmung in den Chefetagen getan werden müsste. Da kann man dreimal raten was die Chef*innen für besonders wichtig halten: Kosten senken, Steuern senken, Profite erhöhen. Und wenn es dann erst den Unternehmen (gemeint natürlich den Aktionären und Eigentümern der Unternehmen) besser geht, dann wird auch wieder mehr für die arbeitende Bevölkerung abfallen. Dieser neoliberale Unsinn hat aber noch nie funktioniert, wie man hier sehr kurz und kompakt nachlesen kann.

Steuersystem reformieren

Nach den ersten Sondierungsgesprächen war jetzt immerhin die Schuldenbremse gelockert worden und für Infrastrukturmaßnahmen soll ein Sondervermögen von bis zu 500 Milliarden € geschaffen werden. Dabei wäre es doch so einfach gewesen: Hätte es eine langfristig planende Politik gegeben, hätte allein durch eine Vermögensteuer seit deren Abschaffung im Jahre 1996 staatliche Einnahmen von 380 Milliarden generiert werden können, d.h. die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen hätten nicht nur finanziert, sondern auch deutlich früher und damit preiswerter durchgeführt werden können. Würde man all dies auch noch mit höheren Spitzensteuersatz für Reiche verbinden, so müssten kaum noch Schulden für die späteren Generationen gemacht werden. Genaueres kann man sich in der Pressekonferenz von Gregor Gysi und Jan von Aken vor der Bundestagswahl anhören.

Hohe Gewinne und Dividenden und Zinseinnahmen höher besteuern

Die SPD hat eine Senkung des Strompreises – auch für Unternehmen – durchgesetzt, was ohne Zweifel nur die zweitbeste Lösung ist wenn man sieht, welche Riesenprofite die Energiekonzerne in den letzten Jahren gemacht haben: 18 Milliarden Gewinn im Jahre 2022 und 24 Milliarden im Jahre 2023, wahrscheinlich auch noch gut ausgefüttert mit den staatlichen Massnahmen zur Strompreisbremse. Statt nunmehr auf Kosten der Allgemeinheit die Preise zu senken, müssen die Ernergiekonzerne die von den hohen Preisen profitiert haben, zur Senkung herangezogen werden.

Dass dauerhaft Aufrüstungsmaßnahmen von der Schuldenbremse befreit werden sollen, ist auch ein falsches Signal, weil es von vornherein verhindert, dass über Alternativen zur militärischen Logik auch nur nachgedacht wird. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde für die Aufrüstung eine besondere Steuer eingeführt, die nach den damaligen Verhältnissen nur die Reichen traf, nämlich die Sektsteuer. Diese finanzierte natürlich nur einen verschwindenden Teil der Aufrüstung, war aber immerhin das Eingeständnis, dass diese vor allen Dingen im Interesse der Reichen stattfindet.

Ganz anders heute, wo die Rüstungskonzerne riesige Profite einfahren und nichts davon abgeschöpft wird. Am Freitag dem 25.02.2022 um 17:00 stand z.B. die Rheinmetallaktie bei einem Kurs von 107 €. Als die Börsen am Montag, dem 28.2.2022 um 9:00 Uhr öffneten und zwischendurch Kanzler Scholz 100 Milliarden für die Rüstung und die permanente Steigerung des Rüstungsetats angekündigt hatte, startete die Aktie mit einem Kurs von 160 € (+ 50%). Am 12.3.2025 stand die Aktie über 1.200 €, am selben Tag teilte Rheinmetall den größten Gewinn in seiner Geschichte mit. Da ist zwar viel von der Solidarität mit der Ukraine die Rede, aber auf die Idee, deshalb die Waffen zum Selbstkostenpreis zu verkaufen oder mit geringem Gewinn kommt natürlich niemand.

Anders als die berühmten „hart arbeitenden Menschen“ die für alle Einkünfte, die über ca. 20.000€ zu versteuernden Einkommen liegen,  mehr als 25% Einkommenssteuer zahlen, werden die Dividenden wie auch Zinseinnahmen nur mit 25% besteuert. Nichts wird dafür getan, diese riesigen Gewinne zur Finanzierung der Aufrüstung heranzuziehen.

Soziale Gerechtigkeit – sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite – ist aber auch wichtig, um der AfD das Wasser abzugraben. Je näher die Behauptung von „denen da oben, die sich die Taschen vollmachen, während wir hier unten malochen“, der Realität entspricht, desto eher fallen solche Parolen bei AfD-Anhängern auf fruchtbaren Boden, selbst wenn nach dem Programm der  AfD die Umverteilung von unten nach oben stattfinden wird.

Wenn du nicht lebst, wie du redest, redest du bald, die du lebst

Soziale Gerechtigkeit glaubwürdig zu vermitteln setzt auch persönlichen Einsatz voraus, insbesondere kein Abheben gegenüber seinen Wählern. Die Ankündigung von Jan van Aken, einen größeren Teil seiner Diäten sozialen Projekten zukommen zu lassen, ist ohne Zweifel eine Maßnahme zur Steigerung der Glaubwürdigkeit. Man kann dies einfach an der Entwicklung der kommunistischen Partei Österreichs in Graz erkennen, deren Aufschwung dort auch sich unmittelbar aus dem persönlichen Einsatz der ihr angehörenden Führungspersonen ergibt.

Es bleibt abzuwarten, wie viel soziale Gerechtigkeit die SPD in der sich abzeichnenden Koalition mit der CDU tatsächlich durchsetzen kann und will. Sie mag aber bei allen Verhandlungen den Atem der Linken im Nacken spüren. So kann man kann tatsächlich auch aus der Opposition Politik machen.

Eberhard Reinecke

P.S. Demnächt schalte ich meine X-account ab. Wer will kann mir weiter bei bluesky unter @reineckekoeln.bsky.social folgen.