In meinem letzten Beitrag hatte ich vermutet, dass wir vielleicht nicht einmal vier Monate bis zum Ende des Prozesses haben, nun gibt es Meldungen, dass „im NSU-Prozess frühestens im Herbst 2017 ein Urteil gefällt“ wird. Hintergrund: Das Gericht hat mögliche Termine bis September 2017 verfügt.
Das sagt zunächst nichts über die erwartete Restdauer des Prozesses aus, das Gericht will nur verhindern, dass z.B. Verteidiger erklären, sie hätten schon lange sechs Wochen Urlaub geplant oder seien durch andere Termine verhindert. (Gerichte wenden schließlich bei Terminkollisionen auch gelegentlich das „Windhundprinzip“ an, d.h. der später angesetzte Termin muss aufgehoben werden.) Was das Gericht wirklich noch plant, wurde am 27.7.2016 deutlich, als es sich erkundigte, ob die Verteidigung auf ein schriftliches Vorabgutachten des Sachverständigen Saß Wert lege (Thema: Ist Frau Zschäpe so gefährlich, dass eventuell Sicherungsverwahrung angeordnet werden muss?). Solche Gutachten sind regelmässig der Abschluss der Beweisaufnahme, d.h. das Gericht ist mit seinem Programm ziemlich am Ende.
Beweisanträge der Verteidigung?
Die weitere Dauer des Verfahrens hängt dann wesentlich von der Verteidigung ab. Normaler Weise wäre das der Zeitpunkt für Beweisanträge der Verteidigung. Bei Zschäpe dürften sich die AltverteidigerIn kaum legitimiert fühlen, Anträge zu stellen, da die auch immer noch hinten losgehen können und wir seit dem letzten Jahr wissen, dass Zschäpe diesen Verteidigern ihr „exklusives Wissen“ vorenthält. Bei Rechtsanwalt Grasel und der hinter ihm stehenden grauen Eminenz, dem JuDr. Borchert, lässt sich bisher kein besonderer Drang zu Anträgen – nicht einmal zu Fragen an Zeugen – feststellen. Die Verteidigung von Wohlleben hat bereits einige Beweisanträge gestellt. Ob sie noch mehr in der Hinterhand hat, bleibt abzuwarten. Bei den übrigen Angeklagten deutet das bisherige Prozessverhalten auch nicht auf Anträge hin, bei Carsten Schulze eher, weil die Beweisaufnahme bisher weitgehend zu seinen Gunsten verlaufen ist, bei Gerlach und Eminger, weil diese nach Möglichkeit im Verfahren überhaupt nicht auftauchen wollen. Ich bleibe dabei, dass ein Ende des Verfahrens vor Weihnachten oder Anfang 2017 realistisch ist.
Eberhard Reinecke