In unserer Rubrik kurz kommentiert haben wir die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Namensnennung besprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Namensnennung für zulässig gehalten, sich aber gleichzeitig bemüht, die Daten zu anonymisieren. Um allerdings einen Mindestsachverhalt darzustellen heißt es dann in der Entscheidung:
Der Beschwerdeführer ist Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters einer süddeutschen Großstadt (Amtszeit: Ende der siebziger Jahre bis Mitte der achtziger Jahre) und praktiziert als Partner einer seinen Familiennamen tragenden Anwaltskanzlei im Raum Rosenheim. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Verlegerin des Magazins „…“, veröffentlichte im Jahr 1978 einen Porträtbeitrag, der sich mit K. befasst. Im Fließtext heißt es in Bezug auf die Ehefrau K., sie sei „Mutter von R., E., S., K., und B.“.
Immerhin dauerte es auch ca. 10 Minuten bis ich über Google die Identität des Klägers feststellen konnte. Aus dem Hinweis des Bundesverfassungsgerichtes, dass es sich um den Sohn eines Oberbürgermeisters aus einer süddeutschen Großstadt handelt, der Ende der siebziger Anfang der achtziger Jahre tätig war und dessen Nachname mit K anfängt, ließ sich relativ schnell über Wikipedia feststellen, welche Oberbürgermeister hier in Betracht kam. Zur Gegenprobe konnte man dann noch danach suchen, ob es ein Rechtsanwaltsbüro dieses Namens in der Nähe von Rosenheim gibt. Hatte ich so den Namen ermittelt, konnte ich auch feststellen, dass es offenbar schon anderer Verfahren dieses Klägers gegeben hat, in dem es auch um Namensnennung, wohl aber auch um eine Hütte an Sie ging.
Was damit gezeigt werden soll: Nach der Devise: „Was verboten ist, das macht uns gerade scharf“, führen solche Prozesse auch dazu, dass sich mehr Menschen für einen Kläger interessieren als ohne Prozess (sogenannter Streisand-Effekt)
Ein CDU-Politiker aus Köln-Porz
Das allerdings schreckt die Kläger häufig nicht ab, die sich eher etwas von der Unterdrückung von Nachrichten versprechen als von Transparenz. So nehmen die Versuche zu, auch wahrheitsmäßige Berichterstattungen unter Berufung auf den Anonymitätsschutz zu unterbinden. Einer der Vorkämpfer dieser Entwicklung ist ohne Zweifel das Medienbüro Höcker aus Köln:
„Professionelle #Krisenkommunikation“ – In diesem Buch (Springer/Gabler-Verlag) erkläre ich, wann man in der #Krise mit #Kommunikation nicht mehr weiterkommt, sondern lieber einen #Medienanwalt „fürs Grobe“ hinzuzieht. – twittert am 23.1.2020 Höcker
Zeitlich traf das mit der Auseinandersetzung um einen Kölner Lokalpolitiker zusammen, dem vorgeworfen wurde, Schüsse auf eine dritte Person abgegeben zu haben.
Es handelte sich um einen 72-jährigen Politiker aus der Bezirksvertretung Köln Porz. Da es nur drei männliche Mitglieder der CDU in dieser Bezirksvertretung gibt und auch nur einer dieses Alter hatte, war schon damit eigentlich klar, um wen es ging, auch wenn die Medienkanzlei Höcker verzweifelt versuchte, die Namensnennung zu verhindern. Die Kölner Veröffentlichung „perspektive online“ hatte ironisch dargestellt, wie man auf den Namen kommt. Wenn aber ohnehin der Name leicht ermittelt werden kann, kann die Namensnennung auch nicht eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes sein.
Die Verbotsjunkies ziehen allerdings aus der leichten Recherchierbarkeit im Internet einen völlig gegenteiligen Schluss. Zum einen behaupten Sie, dass damit die Auffindbarkeit besonders erhöht wird und damit auch die Breitenwirkung (obwohl das Interesse regelmäßig auch bei Internet Veröffentlichungen alsbald zurückgeht), vor allen Dingen wollen sie damit allerdings auch eine Berichterstattung erzwingen, die inhaltsleer wird und gerade keine persönliche Verantwortung mitteilt. Wäre eine „identifizierende Berichterstattung“ verboten (wie es in diesen Kreisen immer wieder gefordert wird), so dürfte nicht mehr veröffentlicht werden, dass der CDU-Politiker 72 Jahre alt ist und der Bezirksvertretung Porz angehört. Also könnte bestenfalls noch berichtet werden, dass ein Kölner CDU-Politiker dies gemacht habe. Damit tritt dann allerdings ein gegenteiliger Effekt ein: Jeder Kölner CDU-Politiker müsste sich gegebenenfalls fragen lassen, ob er der Schütze war. Vielleicht würde auch der eine oder andere gegen eine solche Veröffentlichung mit der Begründung vorgehen, er könne dadurch in Verdacht geraten, obwohl er absolut nichts mit der Angelegenheit zu tun habe. Dass dann der Bundesgeschäftsführer der CDU ganz offiziell zumindest kurzzeitig den Namen ins Netz stellte, dürfte gerade auch dieser Besorgnis geschuldet sein.
Das Verbot der Namensnennung wird gerne mit der Unschuldsvermutung begründet. Als Paul Ziemiak den Namen des CDU Politikers nannte, forderte Rechtsanwalt Höcker auf Twitter sofort:
„Ich fordere Sie als Medienanwalt des zu Unrecht Beschuldigten auf, diesen rechtswidrigen Tweet zu löschen und abzuwarten, was WIRKLICH passiert ist…“
Natürlich hatte die Presse dem CDU-Politiker mehrfach Gelegenheit gegeben, darzustellen, „was WIRKLICH passiert war“. Dies geschah nicht, und Höcker macht aus der Unschuldsvermutung, die nicht mehr und nicht weniger aussagt, dass die Schuld einer Person noch nicht feststeht genau das Gegenteil. Er tut so, als ergäbe sich aus der Unschuldsvermutung, dass jemand zu Unrecht beschuldigt sei.
Anonymitätsschutz für Rechtsradikale
Handelt es sich hier eher um eine Lokalposse, so wird es schon gravierender, wenn mit diesem Instrument auch politische Enthüllungen unterbunden werden sollen. Wenn etwa die online Zeitung Kontext (jeweils Samstagsbeilage in der taz) Enthüllungen über einen Herrn Grauf, Mitarbeiter eines Abgeordneten der AfD in Baden-Württemberg veröffentlicht, dann versucht die Kanzlei Höcker diese Veröffentlichung zu unterbinden. Nachdem sie beim Oberlandesgericht Karlsruhe im einstweiligen Verfügungsverfahren gescheitert ist, versucht sie es nunmehr beim Landgericht Frankfurt, offenbar in der Hoffnung dort offene Ohren zu finden, hatte das Oberlandesgericht doch auch in einem Verfahren dem Asta der Universität Frankfurt verboten, einen sogenannten Pick-up Artisten namentlich zu nennen. Wie man hört ist allerdings auch in diesem Zusammenhang das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Schutz für Kriminelle und Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche
Immer wieder kommt es auch vor, dass gerade Kriminelle darunter auch Personen, die wegen sexueller Übergriffe verurteilt wurden, das Persönlichkeitsrecht für sich reklamieren, obwohl sie mit ihren Taten häufig genug unter Beweis gestellt haben, dass Persönlichkeitsrecht für sie ein Fremdwort ist. Sie jammern, weil sie durch eine Namensnennung an den Pranger gestellt würden, ohne zu berücksichtigen, dass sie sich zumeist selbst durch ihre Taten an den Pranger gestellt haben. Während die bei Verbotsanwälten beliebten Pressekammern wie in Hamburg und Frankfurt dem Drängen häufiger nachgeben, hat z.B. der Bundesgerichtshof bei rechtskräftiger Verurteilung die Namensnennung durchaus großzügiger behandelt:
Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten straf-rechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird
Selbst wenn es nicht um Straftaten geht, gilt nach einer Entscheidung des BGH:
Ein nicht mit Strafe bedrohtes rechtswidriges Verhalten einer der Öffentlichkeit nicht bekannten Person kann etwa wegen seiner Art, seines Umfangs und seiner Auswirkungen auf gewichtige Belange der Gesellschaft von so erheblicher Bedeu-tung für die Öffentlichkeit sein, dass das Recht am eigenen Bild hinter dem Öffent-lichkeitsinteresse zurückzutreten hat.
Es versteht sich von selbst, dass dann erst recht mit Namensnennung berichtet werden darf, da an eine Bildveröffentlichung regelmässsig höhere Anforderungen als an die Textveröffentlichung gestellt werden.
Ganz besonders mies ist das Spiel der katholischen Kirche mit dem angeblich vorliegenden Bericht über den Missbrauch. Die Kirche teilte mit, dass dieser Bericht zumindest zunächst nicht vorgelegt werden solle, weil Betroffene (gemeint sind damit nicht die Opfer sondern offenbar Täter und solche, die die Täter gedeckt haben) in ihren Rechten verletzt sein könnten. Oh wäre die katholische Kirche doch genauso feinfühlig, wenn es um die Entschädigung der Opfer ginge. Es steht allerdings zu vermuten, dass diese Einwände der Kirche, die sich ohnehin weiter bei der Aufklärung windet, gar nicht Unrecht ist. Gerade wenn man unterstellt, dass eventuelle strafrechtliche Vorwürfe verjährt sind, ist die konkrete Benennung der verantwortlichen Positionen zwingend notwendig. Dabei ist es natürlich völlig egal, ob man einen Namen nennt oder lediglich eine Position, also ein bestimmten Bischof in einer bestimmten Stadt, der die Augen verschlossen hat oder vielleicht sogar den ihm als Pädophilen bekannten Täter in eine andere Stadt versetzt hat. Tatsächlich dürften daher die Einwände sich auch gerade gegen eine solche Identifizierbarkeit richten, womit dann – wenn man dem nachgiebt – ein völlig ungenießbarer Brei entstände.
Eberhard Reinecke