Land Hamburg zahlt 1.200,00 € für Prozessverzögerung
durch den Pressesenat des OLG
Es war ein wichtiger Prozess in frühen Jahren meiner Anwaltstätigkeit. Es ging für meine Mandanten um die Existenz und ich hatte in der Berufungsinstanz im Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme noch einige weitere Gesichtspunkte vorgetragen. Der Gegner drängte, wollte unbedingt eine Entscheidung, der ältere bedächtige Vorsitzende konterte mit der Bemerkung, bei ihnen im Senat gelte immer noch der Grundsatz, dass das richtige Urteil wichtiger sei als das schnelle Urteil. Tatsächlich kam es dann später zu dem „richtigen“ Urteil für meine Mandanten gerade auch auf Grund der neuen Gesichtspunkte, die ich vorgetragen hatte. Man sieht daran, dass eine Beschleunigung gerichtlicher Verfahren nicht immer von Vorteil ist.
Allerdings gilt der Grundsatz umgekehrt nicht regelmäßig. Nicht jedes Verfahren, das besonders lange dauert, führt auch notwendig zu einem „richtigen“ oder auch nur besonders gründlichem und überzeugenden Urteil . Und weil das so ist und weil oft die Kriterien der Bearbeitung undurchsichtig sind, hat der Gesetzgeber im Jahre 2011 die Möglichkeit einer Verzögerungsrüge (§ 198 GVG) geschaffen. Parteien eines gerichtlichen Verfahrens können – unabhängig vom Ausgang – alleine dafür entschädigt werden, dass das Verfahren besonders lange dauert.
Der Pressesenat lässt sich Zeit
So geht es mir in einem Verfahren beim 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamburg (Pressesenat). Gegenstand der Auseinandersetzung ist der Streit zwischen dem IZA und Werner Rügemer über den wir bereits an anderer Stelle berichtet haben (dort auch das Urteil des Landgerichtes Hamburg). Das IZA (Institut zur Zukunft der Arbeit, eine GmbH, deren einzige Gesellschafterin die Deutsche Poststiftung ist) wollte vor allem verboten wissen, dass es „Lobbying betreibe“. Das Landgericht Hamburg hat in diesem Punkt dem IZA Recht gegeben, obwohl das so wörtlich gar nicht im Artikel stand, Werner Rügemer aber die enge Verflechtung mit Unternehmerinteressen herausgearbeitet hat, so mit der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“. Gegen das Urteil vom 6.2.2015 hatten wir Berufung eingelegt und diese auch alsbald begründet. Seit August 2015 tat sich dann faktisch nichts mehr in dieser Angelegenheit. Anfragen nach dem Sachstand wurden nicht einmal beantwortet. Der Gesetzgeber verlangt allerdings im § 198 GVG das zunächst eine Verzögerungsrüge erhoben wird. Auch diese wurde von uns doppelt erhoben. Nachdem dann ein Jahr nach der ersten Verzögerungsrüge sich immer noch nichts tat, meldeten wir die Schadensersatzansprüche von Werner Rügemer bei der Freien Hansestadt Hamburg an. Das Gesetz sieht hier eine Entschädigung von 1.200,00 € pro Verzögerungsjahr vor und nachdem dann die Justizbehörde Akteneinsicht genommen hat, erfolgte jetzt die Anerkennung der Forderung von 1.200,00 €.
Endlich Terminierung
Einen weiteren Vorteil hatte dieses Vorgehen: Natürlich ist der Pressesenat unabhängig und kein Beamter der Justizbehörde dürfte den Senat auffordern, endlich zu terminieren. So ist es vielleicht auch nur ein Zufall, dass nun eine Terminierung zur Hauptverhandlung im Berufungsverfahren für den 08.01.2019 um 11:30 Uhr (Saal 210 OLG) gibt. Wir wollen hoffen, dass es dann auch zu einem „richtigen“ Urteil kommt. Die Voraussetzungen sind dabei noch nicht einmal so schlecht, der damalige Direktor des IZAs, Professor Zimmermann der als besonders klagefreundig galt, musste bereits im Februar 2016 das IZA verlassen, wie die FAZ, der Bonner Generalanzeiger und ganz ausführlich ein Artikel aus dem Handelsblatt berichtete. Dabei soll sogar das Verhalten von Zimmermann im Prozess gegen Werner Rügemer eine Rolle gespielt haben.
Ein Prozess als Rohrkrepierer
Bis heute ist nicht bekannt, warum es die abrupte Trennung vom klagefreudigen Herrn Zimmermann gegeben hat. Wir rechnen es uns allerdings als Verdienst an, dass wir selbst eventuell dazu beigetragen haben. Der Prozess ist geradezu ein klassisches Beispiel dafür, dass der Kläger unabhängig vom juristischen Ausgang verlieren kann. Werner Rügemers Artikel war in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ sowie in der NRhZ erschienen. Das IZA war nur eines von vielen Beispielen in dem Artikel, die beanstandeten Passagen nur einige neben vielen Unbeanstandeten. Der normale Geschäftsmann mag es lieben, wenn über seine Marke geschrieben wird, selbst wenn es kritisch ist. Ein Institut wie das IZA will aber natürlich nicht ins Gerede kommen. Gerade dafür hat dann aber der Prozess gesorgt, in dem wir nicht nur weit über die Erstveröffentlichungen hinaus Aufmerksamkeit für die Frage weckten, ob das IZA seinerzeit Lobbyarbeit betrieb, sondern auch, ob es wirklich gemeinnützig ist, ob die deutsche Poststiftung überhaupt ein Eigenleben hatte oder nur eine Durchlaufstation für Gelder der Post AG an das IZA waren. Schon das Landgericht hat festgestellt, dass es sich bei den Äußerungen: “Faktenwidrig bezeichnet es sich als unabhängig” und “Von ‘freier Wissenschaft’ kann hier beim besten Willen nicht gesprochen werden” um zulässige Meinungsäußerungen handelt, ohne Zweifel kein schönes Zeugnis für ein wissenschaftliches Institut (Das IZA ist gegen diesen Teil des Urteils auch nicht vorgegangen). Sicherlich steht das Institut heute in der öffentlichen Wahrnehmung schlechter dar als wenn es keine Klage erhoben hätte.
Zumwinkel, der Mehrfachpräsident
Vielleicht war allerdings auch der Präsident der Poststiftung, der bekannte Steuerhinterzieher Zumwinkel, durch den Prozess betroffen, wurde doch seine Rolle in der Poststiftung und im IZA wiederholt im Prozess angesprochen, was ihn vielleicht nicht sehr amüsiert hat. Auf der Seite der Poststiftung heißt es heute (als der Prozess begann gab es diese Seite noch gar nicht):
„Der Vorstand besteht aus einer Person, welche die Bezeichnung Präsident trägt.“
Damals gab es auf der Webseite des IZA ein Organigramm, in dem Zumwinkel als Präsident des IZA ausgewiesen wurde. Nun ergab allerdings die Überprüfung des Handelsregisters, dass es ursprünglich einen Präsidenten nicht gab. Um allerdings „Präsident“ zu sein, hatte Zumwinkel als Vorstand und Präsident der Deutschen Poststiftung, die alleinige Gesellschafterin des IZA ist, Anfang 2014 die Satzung der IZA GmbH wie folgt geändert:
„Die Gesellschafterversammlung wird vom Präsidenten des Gründungsgesellschafters Deutsche Poststiftung als deren Vorsitzender geleitet. Dieser trägt auch bei der Gesellschaft (=IZA) die Bezeichnung „Präsident““
Selten hatte ein Präsident so wenig Volk um sich geschart, da die Gesellschafter“versammlung“ nur aus einer Person besteht, die dann gleich Präsident ist. Die Satzung des nach dem Abgang von Zimmermann durch die deutsche Poststiftung gegründeten Institutes briq enthielt von Anfang an eine solche Regelung, so dass Zumwinkel jetzt mindestens ein Dreifachpräsident ist.
Ich lebe nun als bekennender Norddeutscher über 35 Jahre in Köln, mir war aber schon gleich nach meiner Ankunft aufgefallen, dass es hier offenbar einen Run auf den Präsidententitel gibt. Wenn ich mich gefragt habe, warum es so unglaublich viele Karnevalsvereine und -gesellschaften gibt, war für mich der plausibelste Grund, dass die Gründung eines eigenen Vereins immer noch die sicherste Variante ist, um Präsident zu werden. Zumwinkel zeigt allerdings, dass es auch anders geht.
Eberhard Reinecke