In unserer ersten Veröffentlichung zu diesem Thema war noch unsicher, wie hoch das „erhebliche Vermögen“ sein würde, das aufgrund der Übergangsregelungen zum Leistungsausschluss führt. Nachdem die Bundesagentur für Arbeit nunmehr Weisungen hierzu herausgegeben hat, fassen wir im Folgenden noch einmal die Neuerungen zur Vermögensanrechnung zusammen:
Die vorübergehende Aussetzung der Vermögensprüfung.
Nach der Übergangsregelung des § 67 SGB II entfällt bei Anträgen, (hier das Antragsformular) die zwischen dem 01.03.2020 und dem 30.06.2020 gestellt werden, die bisherige Vermögensprüfung für einen Bewilligungszeitraum von 6 Monaten.
Bisher war es so, dass die Antragsteller ausführliche Angaben hinsichtlich aller bestehenden Vermögenswerte auf einem gesonderten Vordruck (VM) machen und deren Richtigkeit versichern mussten. Dies betraf neben Konten, Sparbüchern, Wertgegenständen, Grundstücken, Immobilien und Fahrzeugen auch Lebens- und Kapitalversicherungen und vieles mehr.
Nun entfällt diese Prüfung, wenn kein erhebliches Vermögen des oder der Antragsteller vorliegt. Der Gesetzestext hierzu lautet:
„Abweichend von den §§ 9, 12 und 19 Absatz 3 wird Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Satz 1 gilt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist; es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt“
Vermögen wird danach nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Nach der nunmehr von der Bundesagentur für Arbeit erlassenen fachlichen Weisung zu der Übergangsregelung des § 67 SGB II gilt hier der Erheblichkeitsbegriff des Wohngeldgesetzes (Seite 7 im Link):
Erhebliches Vermögen ist danach verwertbares Vermögen in folgender Höhe:
– 60.000 € für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied
– 30.000 € für jedes weitere zu berücksichtigende Haushaltsmitglied
Die Haushaltsmitglieder entsprechen im SGB II den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft. Haushaltsmitglieder im Sinne des SGB II werden nach wie vor nur anteilig dergestalt berücksichtigt, dass die Kosten der Unterkunft für die aus der Bedarfsgemeinschaft ausgeschlossene Person nicht übernommen werden.
Anders als bisher ist bei diesen Vermögensgrenzen nur sofort verwertbares Vermögen zu berücksichtigen, also Bank- und Sparguthaben, Barmittel und sonstige liquide Mittel. Die selbst genutzte Eigentumswohnung oder das selbst genutzte Hausgrundstück sind ausgenommen, und zwar auch dann, wenn diese die Angemessenheitsgrenze des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II übersteigen (Weisung BA Ziff. 1.2 (5)).
Diese Regelung macht Sinn, da es darum geht, vorübergehende Engpässe in den Einkommensverhältnissen der Betroffenen zu lindern ohne deren bei Eintritt der Krise bestehenden Vermögens- oder Wohnverhältnisse zu verschlechtern. Der Status quo soll den Betroffenen erhalten bleiben.
Die Übergangsregelungen gelten – wie bisher das SGB II auch – selbstverständlich für Arbeitnehmer, Selbständige, Freiberufler, Erwerbslose und deren Familienangehörige. Erwerbstätige Antragsteller sollten beachten, dass die Einkommensanrechnung nicht entfällt und für sich ggf. prüfen, ob für sie – falls selbständig – ggf. die Soforthilfe für Solo-Selbständige die bessere Lösung ist. Für Alleinstehende könnte dies unter Umständen der Fall sein.
Die potentiellen Antragsteller sollten auch beachten, dass nach Ablauf von 6 Monaten – nach dem was wir bisher wissen! – die alten Regeln wieder greifen. Dies bedeutet, wenn die eingetretene Hilfebedürftigkeit (Einkommensverlust oder -wegfall, Arbeitslosigkeit) über die 6 Monate hinaus anhält, dann setzt die übliche Vermögensprüfung nach § 12 SGB II wieder ein. Die gesetzliche Regelung ist recht komplex, sieht verschiedene Freibeträge, teilweise gestaffelt nach Alter, vor. Sie enthält auch Maßstäbe zur geschützten Altersvorsorge sowie Freibeträge für beabsichtigte Anschaffungen. Ist man sich nicht sicher, ob man auch weiterhin geschützt oder in diesem Sinne hilfebedürftig ist, sollte man sich in jedem Fall anwaltlich beraten lassen.
Von der Übertragung von Vermögen auf Dritte zur Aufrechterhaltung der Leistungen ist indes dringend abzuraten, da hierin eine vorsätzliche Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit gesehen werden würde (§ 34 SGB II).
Andererseits ist niemand verpflichtet, in den nächsten sechs Monaten besonders bescheiden zu leben und Vermögen oder Geldbeträge für die Zeit danach zu sparen oder anzusparen. Wer also z.B. weiß, dass er oder sie auch in Zukunft einen Computer benötigt, sollte den lieber jetzt anschaffen.
Weitere Merkblätter und Formulare finden Sie hier.
Lucia Alfonso