Mit dem sog. Sozialschutz-Paket hat der Bund nunmehr – befristet – für den Zeitraum von März 2020 bis Juni 2020 unter anderem einen erleichterten Zugang zu den sog. Hartz IV-Leistungen beschlossen. Durch Einführung des § 67 in das SGB II gelten ab sofort folgende Änderungen:
Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft bei Neuanträgen
Die Kosten der Unterkunft, d.h. Miete, Nebenkosten und Heizkosten, werden für 6 Monate in tatsächlicher Höhe anerkannt, also in voller Höhe vom Jobcenter übernommen. Eine Angemessenheitsprüfung – wie bisher – unterbleibt. Bisher galten Grenzen hinsichtlich der Größe der Wohnung im Verhältnis zu den Bewohnern. Die Mietkosten unterlagen einer Obergrenze, die von Gemeinde zu Gemeinde bzw. Kreis unterschiedlich war. Auf die Prüfung der Angemessenheit der Mietkosten wird nun bei Neuanträgen und für die Dauer von 6 Monaten verzichtet.
Die Erleichterung gilt allerdings nur für Neuanträge. Waren bisher bereits Kosten der Unterkunft nur in geringerer als der tatsächlichen Höhe anerkannt worden, so bleibt es dabei. Personen, die sich im März 2020 oder vorher bereits im laufenden Leistungsbezug befanden, profitieren hiervon also nicht. Die Regelung gilt für Anträge, die in der Zeit von 1. März 2020 bis 30. Juni 2020 gestellt werden.
Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Menschen, die aufgrund der Corona-Krise in Existenznot geraten, ihre bisherige Wohnung aufgeben müssen, um ihren Leistungsanspruch zu realisieren oder ihre Miete zu zahlen. Auch wenn die Wohnung nach bisherigen Maßstäben zu groß oder zu teuer war, sollen die Kosten übernommen werden.
Zu beachten ist allerdings, dass nach Ablauf der 6 Monate eine Überprüfung für die Zukunft erfolgen kann. Bleiben die betroffenen neuen Leistungsempfänger also über diesen Zeitraum hinaus hilfebedürftig, so kann die Angemessenheit der Mietkosten überprüft werden und für die Zukunft eine Aufforderung zur Mietsenkung erfolgen. Die ggf. überhöhten Mietkosten würden dann in der Regel nur noch für weitere 6 Monate in voller Höhe übernommen werden, es sei denn es liegen besondere Voraussetzungen vor, die es den Betroffenen unmöglich machen oder es für diese unzumutbar ist, die Mietkosten zu senken (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Kritik: Die Begrenzung auf 6 Monate greift möglicherweise zu kurz. Denn entsteht aufgrund des Verlusts des Arbeitsplatzes oder der krisenbedingten Aufgabe der Selbständigkeit oder Insolvenz eine längere oder dauerhafte Hilfebedürftigkeit, werden die Probleme nur zeitlich verschoben.
Keine nachträglichen Überprüfungen vorläufiger Bewilligungen
Bei Neuanträgen ist ab sofort für 6 Monate vorläufig zu bewilligen. Geringere Zeiträume dürfen nicht zugrunde gelegt werden. Sofern vorläufig bewilligt wird – etwa wegen schwankendem Einkommen – ist eine abschließende Entscheidung nur noch auf Antrag vorzunehmen. Eine Überprüfung der Richtigkeit der bewilligten Leistungen seitens der Behörde unterbleibt also.
Bisher wurden nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes noch fehlende Unterlagen oder Nachweise bei den Leistungsempfängern angefordert und sodann eine abschließende Entscheidung über den Bewilligungszeitraum getroffen. Dies konnte zu Überzahlungen führen und Erstattungsforderungen der Behörde nach sich ziehen.
Diese Überprüfungen sollen nunmehr für den hier betroffenen 6-Monatszeitraum unterbleiben. Das heißt, wird kein Antrag von den Leistungsempfängern gestellt, bleibt es bei den vorläufig bewilligten Leistungen. Aber Vorsicht: Dies kann für die Leistungsempfänger positiv oder negativ sein. In beiden Fällen bleibt es ohne Antrag bei den (vorläufig) bewilligten Leistungen.
Hier wird es entscheidend darauf ankommen, ob die vorläufig bewilligten Leistungen für den Leistungsempfänger günstiger sind, etwa weil sein Einkommen doch höher als erwartet ausfiel, oder ungünstiger, weil die Einkommensverhältnisse sich noch weiter verschlechtert haben. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass das Einkommen doch niedriger war als es durch die vorläufige Bewilligung zugrunde gelegt wurde, müssen die Leistungsempfänger selbst aktiv werden und einen Antrag auf endgültige Festsetzung stellen. Dieser Antrag muss – wie bisher – allerspätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes gestellt werden.
War das Einkommen hingegen höher als zugrunde gelegt, bleibt es bei der Bewilligung. Die Leistungsempfänger können die „überzahlten“ Leistungen behalten. Nach dem Wortlaut dürfte diese Regelung für alle Leistungsempfänger gelten.
Nach der Gesetzesbegründung sollen Personen, die durch die Corona-Krise hilfebedürftig werden, damit eine sichere und verlässliche Hilfe erhalten und müssen nicht mit späteren Rückforderungen rechnen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis hierzu verhält.
Weiterbewilligungsantrag entfällt
In Fällen in denen der Bewilligungszeitraum nach dem 31.03.2020 und/oder vor dem 31.08.2020 endet, erfolgt einer Weiterbewilligung nach den bisherigen Verhältnissen in der Regel für ein Jahr. Lag bisher jedoch eine vorläufige Bewilligung vor, dann wird auch weiterhin vorläufig für 6 Monate bewilligt. Dies bedeutet, dass kein Weiterbewilligungsantrag gestellt werden muss. Die Behörde wird nach den bisherigen Angaben entscheiden und die Leistungen von Amts wegen weiterbewilligen. Diese Neuerung betrifft auch Altfälle. Die Behörde verzichtet auf die Stellung von Weiterbewilligungsanträgen und bewilligt die bisherigen Leistungen – in der bisherigen Form – weiter.
Aussetzung der Vermögensprüfung
Eine problematische Änderung betrifft die angekündigte Aussetzung der Vermögensprüfung. Bisher war es so, dass die Antragsteller ausführliche Angaben hinsichtlich aller bestehenden Vermögenswerte auf einem gesonderten Vordruck (VM) machen und deren Richtigkeit versichern mussten. Dies betraf neben Konten, Sparbüchern, Wertgegenständen, Grundstücken, Immobilien und Fahrzeugen auch Lebens- und Kapitalversicherungen und vieles mehr.
Die Übergangsregelung sieht nunmehr nach der Gesetzesbegründung vor, dass bei Anträgen, die zwischen dem 01.03.2020 und dem 30.06.2020 gestellt werden, keine Vermögensprüfung mehr erfolgt. Ersparnisse sollen den Betroffenen erhalten bleiben, so die Begründung. Die Übergangsregelung wirft jedoch Fragen auf. Im Gesetzestext heißt es hierzu wörtlich:
„Abweichend von den §§ 9, 12 und 19 Absatz 3 wird Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Satz 1 gilt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist; es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt“
Sofern der Antragsteller bzw. die Antragstellerin also im Antrag erklärt, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, so wird dies vermutet und nicht überprüft. Vermögen wird nach der gesetzlichen Regelung also nur geprüft, wenn es erheblich ist. Was bedeutet aber „erheblich“ im Sinne dieser Übergangsregelung? Es dürfte sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff handeln, der auszulegen ist. Die bisherigen Vermögensgrenzen können nicht gemeint sein, denn dann wäre die Regelung überflüssig und sinnentleert. Bleibt es also dem Einzelnen überlassen, was er oder sie unter erheblichem Vermögen versteht?
Hier bleibt die Umsetzung in der Praxis abzuwarten. Möglicherweise erfolgt eine spezielle Abfrage seitens der Jobcenter, die die Antwortmöglichkeiten einschränkt. Vielleicht erfolgen konkretere Vorgaben innerbehördlich durch Durchführungsanweisungen, die den unbestimmten Rechtsbegriff näher ausgestalten.
Das Ausfüllen der bisherigen Vordrucke dürfte jedenfalls ausscheiden. Denn dann müsste es bei den bisherigen Vermögensgrenzen bleiben. Auch die Vorlage von Nachweisen dürfte sich bei Abgabe der vorgenannten Erklärung durch die Antragsteller erledigen.
Doch Vorsicht: Die Übergangsregelung ist keine Ermächtigung zur Abgabe falscher Angaben. Die Antragsteller werden weiterhin wahrheitsgemäße Angaben machen müssen. Die Frage ist nur, welche? Letztlich kommt es jetzt auf die Durchführung dieser Regelung durch die Jobcenter, Städte und Kreise an. Die Praxis wird zeigen, ob es sich hierbei um eine gelungene Regelung und eine echte Hilfe für die Betroffenen handelt.
Lucia Alfonso