Endlich eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat
so warb Kemmerich vor den Wahlen auf Plakaten. Und jetzt kann er behaupten, dass er dieses Wahlversprechen einhält, zumindest wenn man nicht die Geschichte Deutschlands sondern die der FDP meint. Da nämlich kann man mit Fug und Recht sagen, dass die AFD heute völlig unproblematisch die die früheren Positionen der FDP übernommen hat. Einige Beispiele (Vieles nachzulesen bei Leuschner, Die Geschichte der FDP):
1952: Auf Ihrem Essener Parteitag verlangt die FDP eine Amnestie für alle „sogenannten Kriegsverbrecher“. Kein Wunder, dass Leuschner die damalige FDP als „schwarz-weis-rot mit braunen Flecken“ bezeichnet.
1954: Einige Auszüge aus der Rede des späteren FDP-Vorsitzenden Erich Mende im Deutschen Bundestag:
Die Frage ist — und sie läßt sich mit Recht aufwerfen —: Messen wir nicht dem Problem der Kriegsverurteilten (gemeint sind verurteilte Kriegsverbrecher E.R.) zuviel Bedeutung bei? Nun, meine Damen und Herren, für uns, auch in diesem Hause, ist es in erster Linie eine Frage des Rechts; denn ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß die Grundlage jener Verurteilungen juristisch an-fechtbar ist. Der geistige Vater jener Kriegsverbrecherprozesse ist der sowjetische Professor Traïnin, …. In Verfolg der hier zum Ausdruck gebrachten Gedankengänge ist dann am 30. Oktober 1943 die Moskauer Deklaration erfolgt, und am 8. August 1945 folgte die Londoner Viermächteakte, denen sich dann Ausnahmegesetze in England, Frank-reich, Belgien, den Niederlanden und anderen Staaten anschlossen. Ich betone: Ausnahmegesetze; denn sie verstießen zum Teil gegen fundamentale internationale Rechtsgrundsätze, beispielsweise den Satz: Nulla poena sine lege! …….
Damit möchte ich dieses Problem — die Frage des Rechtes und die Frage der Psychologie des Handelns auf Befehl — abschließen mit der Hoffnung, daß gerade in dieser Frage allmählich auch in der Politik das Vaterunser Geltung erhält: „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Im zweiten Weltkrieg sind leider auf allen Seiten Licht und Schatten zu bemerken, auf allen Seiten Völkerrechtsbrüche vorgekommen. Wo kommen wir hin, wenn wir nach dem System „tu quoque“ aufrechnen? Ich glaube, es dient dem Gemeinschaftsgeist und dem Beginn einer neuen Zusammenarbeit besser, wenn man nicht wie Lots Weib in der Bibel zurückschaut und dafür zu einer Salzsäule erstarrt, sondern vorwärtsschaut nach Europa und die leidige Frage der kriegsverurteilten Soldaten endlich, zehn Jahre nach dem letzten Schuß, zum Abschluß bringt. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Selbiger Erich Mende trug besonders gerne das ihm vom „Führer“ verliehene Ritterkreuz und als Anfang der 1960er Lars Brandt, Sohn des späteren Bundeskanzlers Willi Brandt bei einer Verfilmung des Romanes „Katz und Maus“ von Grass mitwirkte und dabei ein Ritterkreuz über der Badehose trug (schon ganz schön nah dort, wo man ohne Badehose das Geschlechtsteil hätte sehen können), protestierte Mende besondern heftig gegen diese „Schändung des nationalen Symbols“ (es sei allerdings auch erwähnt dass deswegen der der damalige Minister Franz Josef Strauß sogar ein Verbot des Filmes forderte).
Mit ihrer Haltung zum „Stellvertreter des Führers“ Rudolf Heß hätte die FDP sogar den Beifall von Uwe Mundlos und anderen Mitgliedern des NSU ernten können. Aus der Fragestunde des Bundestages vom 9.5.1969 ua. mit den FDP-Abgeordneten Porsch und Dr. Imle, die für ein besonderes Geburtstagsgeschenk für Rudolf Heß warben:
Vizepräsident Scheel: Wir kommen zu der Frage 100 des Herrn Abgeordneten Porsch: Wird die Bundesregierung aus Anlaß des 75. Geburtstages von Rudolf HeB erneut Schritte bei den vier Gewahrsamsmächten unternehmen, um eine Freilassung dieses Gefangenen zu errei-chen, dessen 29. Haftjahr nunmehr beginnt? …… Zusatzfrage. Porsch (FDP) : Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß eine weitere Inhaftierung von Rudolf Heß in keinem Verhältnis zu der Schuld steht, die Rudolf Heß möglicherweise vor seinem Flug nach England auf sich geladen hat? Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Porsch, das ist eine persönliche Bewertung. Die Bun-desregierung ist nicht in der Lage, hier von Amts wegen eine Bewertung eines Urteils vorzunehmen, das nun einmal die Grundlage für die Strafe bildet. Vizepräsident Scheel: Eine weitere Zusatzrage, Herr Kollege Porsch. Porsch (FDP) : Herr Staatssekretär, ist die Bun-desregierung der Ansicht, daß unabhängig von der Schuld, die Rudolf Heß möglicherweise auf sich geladen hat, eine weitere Inhaftierung allen Geboten der Menschlichkeit zuwiderläuft? …..
Vizepräsident Scheel: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Imle. Dr. Imle (FDP) : Herr Staatssekretär, Sie spra-chen vorhin davon, es sei nicht zu erwarten, daß die Sowjetunion ihre Auffassung ändern würde. Ist denn die Bundesregierung nicht einmal bereit, von sich aus bei der Regierung der Sowjetunion wegen einer Freilassung des inhaftierten Herrn Heß vorstellig zu werden, um auf diese Art und Weise auch das Interesse unseres Landes an der Freilassung von Herrn Heß offen zu bekunden? ….. Vizepräsident Scheel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Imle. Dr. Imle (FDP) : Herr Staatssekretär, könnte die Sowjetunion nicht eventuell aus der Tatsache, daß die Bundesregierung nicht selbst einen solchen Schritt unternimmt, schließen, daß die Bundesrepublik selber an einer Freilassung von Herrn Heß nicht interessiert ist, und könnte nicht deswegen allein ein solcher Schritt bereits eine für Herrn Heß günstige Aussage sein?
Offenbar befriedigten diese Antworten die FDP in ihrem Wusch für ein Geburtstagsgeschenk für den „Stellvereter des Führers“ nicht richtig, so dass am 1. Juli 1969 die gesamte FDP-Fraktion im Bundestag sich in einer kleinen Anfrage nicht nur um die Kosten des Kriegsverbrechergefängnisses in Spandau sorgte sondern auch fragte:
Hat die Bundesregierung schon in direkten Verhandlungen mit der Regierung der UdSSR versucht, die Zustimmung der sowjetischen Regierung zur Freilassung von Rudolf Heß zu erreichen?
Man sieht also, Kemmerich steht in einer großen Tradition seiner Partei die auch unmittelbar mit der AfD anschlußfähig ist. Etwas unverständlich ist allerdings warum es auf dem „Glatzen Plakat“ „hallo übermorgen“ heißt, gemeint war wahrscheinlich „hallo vorgestern“
Eberhard Reinecke