und warum die Verteidigung Zschäpe eigentlich nichts mehr zu bieten hat
Manchmal ist es doch schön, dass nach der StPO Nebenkläger und ihre Vertreter (anders als Verteidiger und Staatsanwälte) keine Anwesenheitspflicht haben. Zwar bemühen sich mein Kollege Schön und ich immer darum, dass mindestens einer von uns an der Verhandlung teilnimmt, doch am 21.12.2016 verließ ich dann gegen 11 Uhr den Gerichtssaal, weil wichtiges nicht mehr zu erwarten war.
Am 20. und 21.12.2016 sollte eigentlich der Sachverständige Henning Sass beim Oberlandesgericht in München sein Sachverständigengutachten erstatten. Schwerpunkt war die Frage, ob die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung vorliegen. Über das zuvor schriftlich eingegangene vorläufige Gutachten war bereits ausführlich in der Presse berichtet worden. Dass der Gutachter – wohl in Übereinstimmung mit nahezu allen Prozessbeteiligten und Prozessbeobachtern den Einlassungen von Frau Zschäpe kritisch gegenüber steht, war zwischen den Zeilen durchaus erkennbar. Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit gab es ernsthaft noch nie, auch nicht im Hinblick auf den von Frau Zschäpe behaupteten Alkoholkonsum.
Ablösung des Sachverständigen gescheitert
Obwohl das schriftliche Vorgutachten des Sachverständigen seit Ende Oktober vorliegt, hatten die „Altverteidiger“ sich in den Kopf gesetzt, erst im Januar 2017 das Gutachten erstatten zu lassen. Als der Senat trotzdem am 20.12.2016 den Sachverständigen hören wollte, folgte ein Antrag auf Entlassung des Sachverständigen mit dem die Altverteidiger wohl Rechtsgeschichte schreiben wollen. Natürlich kann man – wie Rechtsanwalt Gerhard Strate zuletzt wieder in der NJW, Ausgabe 47/16 – der Auffassung sein, dass ein Gutachten, bei dem die Angeklagte nicht mitarbeitet, ohnehin wertlos ist. Damit wäre grundsätzlich die Sicherungsverwahrung nicht mehr möglich. Das hin und her um diesen Antrag zog sich dann am 20.12. bis 15:30 hin. Die Presse (z.B ZEIT oder SZ) berichtete am 21.12. vom Kampf der Verteidigung gegen die Sicherungsverwahrung in der taz war sogar vom „letzten Kampf“ die Rede. Ausführlich schildert Gisela Friedrichsen die Anträge der Verteidigung.
Als dann am 21.12. der Senat den Antrag auf Entlassung des Sachverständigen ablehnte, erfolgte ein Befangenheitsantrag. Auch hier eine Premiere. Der Antrag wurde nicht etwa wegen verletzter Eitelkeit der Altverteidiger gestellt (was auch nicht zulässig wäre) sondern „im Interesse von Beate Zschäpe“ (d.h. wohl ohne Abstimmung mit ihr). Immerhin schloss sich dann die graue Eminenz der Verteidigung (RA Borchert) für Frau Zschäpe dem Antrag an, was dann wieder zu einer weiteren „juristischen Delikatesse“ führt: Da das Ablehnungsrecht ein ausschließliches Recht der Angeklagten ist, könnte eine Antragstellung vor Abstimmung unzulässig sein, oder – wie die Bundesanwaltschaft vortrug – ist erst die Erklärung von RA Borchert der Antrag und der ist dann verspätet. Der Sachverständige wurde dann auch am 21.12. nicht gehört, (und ich habe alles richtig gemacht, als ich um 11Uhr gegangen bin), er wird also Anfang 2017 sein Gutachten erstatten. Doch welche Relevanz hat das Gutachten und die Frage der Sicherungsverwahrung überhaupt?
Was ist vom Gutachen zu erwarten?
Der Sachverständige hat nicht festzustellen, ob nach der Hauptverhandlung sich der Anklagevorwurf bestätigt hat. Er wird entweder nach Weisung des Gerichtes tätig, d. h. an sich muss das Gericht dem Sachverständigen die Tatsachen mitteilen, von denen er auszugehen hat. Da allerdings die entsprechenden Tatsachen erst endgültig in der Urteilsberatung festgestellt werden, ist es durchaus üblich, dass der Sachverständige von unterschiedlichen Alternativen auszugehen hat, also – wie er es auch getan hat – einerseits von der Alternative, dass die Einlassung von Frau Zschäpe zutreffend ist, andererseits von der Alternative, dass sich die Anklage im Wesentlichen bestätigt hat.
Wir gehen – wie die meisten Prozessbeobachter mehr oder weniger unverhohlen -davon aus, dass das Urteil im Wesentlichen der Anklage entsprechen wird, so dass nach dem erstatteten Gutachten die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung tatsächlich vorliegen könnten. Trotzdem allerdings wird Frau Zschäpe gerade in diesem für sie schwerwiegenderen Fall nicht mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung rechnen müssen. Sie wird dann für vielfache Morde, versuchte Morde und Überfälle als Mittäterin verurteilt und natürlich wird das Gericht dann auch die Schwere der Schuld feststellen. In einem solchen Fall ist allerdings die zusätzliche Anordnung der Sicherungsverwahrung keineswegs unerlässlich, sondern eher rechtsfehlerhaft, wie der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes, der auch im vorliegenden Fall für die Revision zuständig wäre, bereits in einem Urteil festgestellt hat:
„Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann auch nach Ablauf der nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 StGB bestimmten Verbüßungsdauer nur dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (vgl. § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Solange der Verurteilte noch gefährlich ist, wird die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt. Erst wenn sich herausstellt, dass von dem Verurteilten keine Gefahr mehr ausgeht, wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. In diesem Falle dürfte indes auch eine zusätzlich zur lebenslangen Strafe angeordnete Sicherungsverwahrung nicht mehr vollzogen werden (§ 67c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Auch sie müsste zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 67c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 1. Halbsatz StGB). Angesichts dessen erscheint es kaum denkbar, dass im Anschluss an eine bedingte Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Sicherungsverwahrung wegen fortbestehender Gefährlichkeit des Betroffenen vollstreckt werden wird (BGH aaO Rn. 23; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 BvR 578/02 u.a., BVerfGE 117, 71, 93; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 5 StR 142/10, NStZ-RR 2011, 41)….. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung erscheint damit neben der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht als unabdingbar (s. bereits BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1985 – 1 StR 564/85, BGHSt 33, 398, 400 f.; insgesamt kritisch Peglau, NJW 2000, 2980 f.; Kreuzer, ZRP 2011, 7, 9).
Wird Frau Zschäpe also zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt, so wird erstmals nach 15 Jahren verbüßter Haft, also im Jahre 2026 (da die Untersuchungshaft seit dem 8.11.2011 angerechnet wird), das zuständige Strafvollstreckungsgericht eine Mindeststrafdauer festlegen und diese dürfte nach allen bekannten und (auch nur halbwegs) vergleichbaren Fällen nicht unter 25 Jahre liegen. Wenn Frau Zschäpe dann im Jahre 2036 einen Antrag auf Haftentlassung stellen würde, könnte dem nur dann stattgegeben werden, falls eine günstige Sozialprognose besteht. Besteht aber eine günstige Sozialprognose, so wird man Frau Zschäpe nicht allein deswegen in Sicherungsverwahrung stecken, weil irgendwann mal so entschieden worden ist.
Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Frau Zschäpe lediglich zu einer zeitigen Freiheitsstrafe, also einer Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt wird, wäre die Anordnung der Sicherungsverwahrung relevant. Ein solches Ergebnis wäre aber nur auf Basis der Schilderung von Frau Zschäpe möglich, so dass es dann auch keine Grundlage für eine Sicherungsverwahrung gäbe. So oder so ist also das Gutachten in seiner zentralen Fragestellung im Ergebnis irrelevant.
Zentral für den Prozeßausgang ist die Frage, wie eng Frau Zschäpe mit den beiden Uwes zusammengearbeitet hat. Normalerweise kommen am Ende des Verfahrens die Beweisanträge von Verteidigern. Außer einer verlogenen eigenen Erklärung hat Zschäpe aber nichts für Ihre Version zu bieten und ihre Verteidiger können die Einlassung wohl nicht mit Beweisanträgen unterstützen, sondern werfen sich auf die vielleicht öffentlichkeitswirksame aber im Ergebnis brotlose Auseinandersetzung mit dem Sachverständigen.
Eberhard Reinecke